Die COVID-19 Pandemie hat unmittelbare Auswirkungen auf die Sterberate der Bevölkerung. Zugleich hat sie aber auch enorme ökonomische Auswirkungen. Erstens meiden viele Personen soziale Kontakte, um sich nicht anzustecken. Sie gehen deshalb nicht mehr ins Restaurant, machen kein Wellnesswochenende und gehen seltener zum Coiffeur. Hierdurch sinken die Konsumausgaben, insbesondere für Dienstleistungen und Unterhaltung.

Zweitens verordnen Regierungen in vielen Ländern zur Verringerung der Ansteckungsgefahr strenge Ausgangssperren und umfangreiche Geschäftsschliessungen. Diese Massnahmen reduzieren die sozialen Kontakte und tragen dazu bei, Menschenleben zu retten und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Gleichzeitig führen sie aber auch zu einem Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten.

Der durch die Pandemie selbst und durch die Lockdown-Massnahmen verursachte Rückgang der Wirtschaftsleistung wirkt sich langfristig ebenfalls auf die Lebenserwartung und die Sterberate der Bevölkerung aus. Diesen Zusammenhang haben Francesco Bianchi vom Ökonomiedepartment der Duke Universität, Giada Bianchi von der Harvard Medical School sowie Dongho Song von der Carey Business School der Johns Hopkins Universität analysiert und ihre Forschungsergebnisse in einem Arbeitspapier veröffentlicht.

Dabei gingen die Forscher wie folgt vor. Zunächst ermittelten sie den historischen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit einerseits und Lebenserwartung sowie Sterberate andererseits. Erstaunlicherweise zeigte sich dabei, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit kurzfristig die Sterberate verringert. Dies lässt sich jedoch leicht erklären: Arbeitslose bleiben öfter zu Hause als Erwerbstätige und sind damit nicht den Gefahren am Arbeitsplatz und auf dem Weg dorthin ausgesetzt. Langfristig wirkt sich ein starker Anstieg der Arbeitslosenquote infolge einer Rezession jedoch nachteilig auf die Lebenserwartung und Sterberate aus.

Mit Hilfe dieser Erkenntnis berechnen die Forscher die langfristigen Auswirkungen des pandemie- und lockdownbedingten Anstiegs der Arbeitslosenquote auf die Lebenserwartung und Sterberate. Die Ergebnisse sind erschreckend. In den USA führt die COVID-19 Rezession in 5 Jahren zu einer kumulierten Verkürzung der Lebenserwartung um 0,33 Jahre. Die entsprechenden Werte für 10, 15 und 20 Jahre betragen 0,63, 0,65 bzw. 0,66 Jahre.

Die altersbereinigte Sterberate steigt in 5 Jahren um 13,39 Todesfälle je 100'000 Einwohner. Die entsprechenden Werte für 10, 15 und 20 Jahre betragen 18,73, 17,77 und 17,71 Todesfälle je 100'000 Einwohner.

In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass infolge der Rezession, die durch die Pandemie sowie die damit verbundenen Lockdown-Massnahmen verursacht wurde, in den USA innerhalb der nächsten 5 Jahre voraussichtlich 130'000 Menschen sterben werden, die ohne die COVID-19 Rezession überlebt hätten. In den nächsten 10 Jahren werden es 470'000, in den nächsten 15 Jahren 840'000 und in den nächsten 20 Jahren insgesamt 1,22 Millionen zusätzliche Tote sein.

Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, bei der Beurteilung von Schutzmassnahmen zur Pandemiebekämpfung neben den virologischen Effekten auch die ökonomischen Folgen zu berücksichtigen. Wie die Forschungsergebnisse zeigen, bewirken epidemiologische Schutzmassnahmen, wenn sie zu einer Rezession führen, infolge des Anstiegs der Arbeitslosigkeit langfristig einen signifikanten Rückgang der Lebenserwartung sowie eine markante Erhöhung der altersbedingten Sterberate.