Hu Xijin hat angeblich Verbindungen in sehr hohe Regierungskreise in Peking. So klar hat dies der Chefredaktor der Zeitung "Global Times" jüngst in einem Bloomberg-Interview zwar nicht zugegeben – aber ganz offensichtlich weiss der Journalist mehr als die meisten anderen darüber, was im innersten Machtzirkel des Riesenreiches China beispielsweise über den Handelskonflikt mit den USA diskutiert wird.

Im engen Takt twittert Hu und findet Follower bis in die Wall Street. Er hat in den vergangenen Wochen mehrere Schritte Chinas gegenüber den USA korrekt vorausgesagt oder beschrieben. Am 3. Juni etwa kündigte er an, die Regierung werde Chinesen bezüglich Studienaufenthalten in den USA warnen. Kurz darauf wurde die Warnung offiziell herausgegeben.

Zwei Tage früher hatte Hu per Kurzbotschaft geschrieben, China sei wegen umgeleiteter Lieferungen von Huawei-Gütern durch Fedex aufmerksam geworden. Wenige später leitete die Regierung Ermittlungen gegen das amerikanische Logistikunternehmen ein. 

Tweets, die massgeblich die Börsenstimmung beeinflussen, sind seit der Amtsübernahme durch Donald Trump als Präsident der USA 2017 nichts ungewöhnliches mehr. So umstritten Trumps Aktionen im Kurznachrichtendienst sind, so präzise trifft der Präsident den Nerv der Märkte. "Twitterer-in-Chief" ist nur eines der Wortanhängsel für Trump in diesem Zusammenhang, eine Anspielung an seine Rolle als Commander-in-Chief beziehungsweise Befehlshaber des US-Militärs.

Chinas inzwischen vielbachteter Twitterer Hu hat keinen so hohen Rang, aber auch er verfehlt seine Wirkung nicht. Er ersetzt gewissermassen offizielle Statements. Chinas Präsident Xi Jinping kommuniziert schliesslich ganz anders als sein amerikanischer Gegenspieler im Handelskonflikt. Trump twittert (scheinbar) spontan – Bei Xi hingegen werden Absichten und Pläne in lange Reden verpackt, und vieles muss aus den Communiqués aus dem Machtapparat der kommunistischen Partei herausgelesen werden. Informationen zur Regierungspolitik werden im kommunistisch regierten Land über offizielle Nachrichtenagenturen publiziert.

Umso wertvoller ist Hu, der eine ungefiltertere und offensichtlich auch präzise Sicht der Dinge liefert. "Ich weiss nicht, ob Regierungsbeamte absichtlich Informationen an mich weitergeben", sagte Hu zu Bloomberg. Er liess aber durchblicken, dass es "stillschweigende Vereinbarungen" mit Leuten gibt, die Chinas Geschicke massgeblich mitbestimmen.

Follower-Zahl verdoppelt

Ob er sich von den Funktionseliten des Landes bewusst instrumentalisieren lässt, lässt Hu offen. Aber Anlagespezialisten, Analysten und Fondsmanager in der westlichen Welt bewerten Hus Tweets als Teil des Kampfes Chinas um die Informationshoheit im Handelsstreit. So, wie Trump die zähen Zollverhandlungen mit Tweets beeinflusst, will China wohl mit Hus Botschaften die eigene Position klarmachen. 

Hus Zahl an Twitter-Followern hat sich in wenigen Wochen auf 50'000 mehr als verdoppelt. Aber so verschieden die Kommunikationsformen der beiden Grossmächte sind - in einigen Punkten steht Hu dem Twitter-Präsidenten Trump in nichts nach. Während Trump mit dem Slogan an die Macht kam, er werde die USA zu neuer Grösse führen, verherrlicht Hu die Leistungen des chinesischen Staates.

Die chinesisch- und englischsprachige Zeitung "Global Times" verbreitet das, was der Regierung gefällt. Hus Gesinnung wird unter anderem deutlich durch einen Tweet zum 30. Jahrestag des Tienanmen-Aufstandes: Dabei liess er die Todesopfer der Niederschlagung der Proteste unerwähnt und pries dafür das staatlich angeleitete Wirtschaftswachstum der vergangenen drei Jahrzehnte.

Der TV-Sender "Arte" hat Ende Mai ein kurzes Portrait von Hu Xijin veröffentlicht: