Eine linksgrüne Allianz hat gegen das vergangenen September vom Parlament verabschiedete "Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF)", kurz "AHV-Steuervorlage", das Referendum ergriffen. Auch verschiedene bürgerliche Jungparteien halfen mit bei der Unterschriftensammlung.

Die Vorlage, über die nun am 19. Mai abgestimmt wird, beinhaltet einerseits eine Reformierung der Unternehmensbesteuerung, andererseits aber auch einen finanziellen Zustupf für die AHV. Die AHV-Steuervorlage ist als Neuauflage der "Unternehmenssteuerreform III" zu verstehen, die 2017 vom Schweizer Volk verworfen wurde. Sie beinhaltet auch ein Element der im selben Jahr gescheiterten Rentenreform "Altersvorsorge 2020".

Wieso wurde die AHV-Steuervorlage ausgearbeitet?

Kantone können heute internationale Firmen tiefer besteuern als inländische. EU und OECD haben auf die Schweiz Druck ausgeübt, solche Steuerprivilegien abzuschaffen. Die gescheiterte Unternehmenssteuerreform III vor zwei Jahren wollte diese steuerliche Sonderbehandlung bereits beseitigen. Nun unternehmen Parlament und Bundesrat einen zweiten Anlauf, den internationalen Anforderungen gerecht zu werden und dabei wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig soll aber auch ein Beitrag zur Sicherung der AHV-Renten geleistet werden, da der 1. Säule in den nächsten Jahren eine Schieflage droht.

Was beinhaltet die Vorlage?

Bestehende Steuerprivilegien für international tätige Unternehmen werden aufgehoben. Grosskonzerne sowie KMU sollen künftig den gleichen Besteuerungsregeln unterstellt sein. Dividenden auf Beteiligungen von mindestens 10 Prozent werden stärker besteuert und Gewinne aus dem Verkauf von Firmenbeteiligungen sind nicht mehr steuerfrei. Gleichzeitig sind aber neue Steuererleichterungen vorgesehen, um den Wirtschaftsstandort Schweiz wettbewerbsfähig zu halten. Neu werden innovative Unternehmen gefördert. Patente werden reduziert besteuert und für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sind höhere Steuerabzüge möglich. Darüber hinaus fliessen unter anderem durch höhere Lohnabzüge – die AHV-Beiträge steigen für Arbeitnehmer und -geber um je 0,15 Prozentpunkte - jährlich rund 2 Milliarden Franken in die AHV.

Eine komplette Auflistung aller Elemente der Vorlage finden Sie hier.

Wer profitiert von der Vorlage, wer verliert?

Wie der Bund schreibt, zahlen durch die Vorlage künftig Grosskonzerne tendenziell mehr Steuern als heute, KMU hingegen eher weniger. Für Privatpersonen sollte sich steuertechnisch nichts ändern. Ausserdem zeigt eine Studie der Eidgenössische Steuerverwaltung, dass es bei der öffentlichen Hand zu kurzfristigen Mindereinnahmen kommen dürfte, die künftig aber "ganz oder teilweise" wieder eingebracht werden. Sogar Mehreinnahmen gegenüber heute seien denkbar. Die finanziellen Auswirkungen hängen stark davon ab, wie die künftige Steuerpolitik der Kantone und des Auslands sein wird und wie die Reaktion der Unternehmen ausfallen wird.

Wieso werden die Themen Unternehmenssteuern und AHV in einer Vorlage miteinander verknüpft?

Die Unternehmenssteuerreform wurde im Februar 2017 mit 59 Prozent Nein ziemlich deutlich verworfen. Kritisiert wurde damals unter anderem die mangelnde Ausgewogenheit der Reform. Die neue Vorlage sollte daher einen sozialen Ausgleich beinhalten. Ursprünglich wollte der Bundesrat die Familienzulagen erhöhen. Da diese aber nicht der ganzen Bevölkerung zugutegekommen wären, entschied sich das Parlament stattdessen für eine AHV-Zusatzfinanzierung. "Es handelt sich um einen politischen Kompromiss im Interesse der Mehrheitsfähigkeit der Vorlage", steht auf der Website des Bundes geschrieben.

Ist die Finanzierung der AHV durch die Vorlage längerfristig gesichert?

Nein. Die AHV-Steuervorlage ist nur ein Teil verschiedener Massnahmen zur Stützung der ersten Säule. Zusätzlich ist eine weitere AHV-stabilisierende Vorlage in Planung, die "Reform AHV 21". Diese sieht etwa das Rentenalter 65 für Frauen und Männer vor, aber auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab dem Jahr 2021. Je nach Ausgang der Abstimmung zur AHV-Steuerreform kann die zusätzliche AHV-Reform noch angepasst werden.

Wer ist für dafür und wer dagegen?

Bundesrat, Kantone, FDP, BDP, CVP und SP sind für die AHV-Steuervorlage. Auch zahlreiche Wirtschaftsverbände wie die Economiesuisse, der Gewerbeverband oder der Arbeitgeberverband stellen sich hinter das Anliegen. Gegen die Reform stemmen sich die Grünen sowie die GLP. Auch zahlreiche Jungparteien - Juso, Junge SVP, Junge BDP, Junge Grünliberale - machen sich für ein Nein stark. Die Stimmfreigabe haben der Gewerkschaftsbund sowie die SVP beschlossen.

Was sind die Argumente der Befürworter?

Gemäss Befürwortern durchbricht die Vorlage - ein "gutschweizerischer Kompromiss" - den Reformstau bei der Unternehmensbesteuerung sowie der AHV. Der AHV-Zustupf verbessere die Rentensicherheit für die Schweizer Bevölkerung. Mit einem Ja könne auch der Verlust von Arbeitsplätzen verhindert werden, da die Abschaffung der Steuerprivilegien Unternehmen Planungssicherheit und einen attraktiven Steuerrahmen gebe. Ausserdem sei die Reform nötig, damit die Schweiz nicht als Steueroase auf eine schwarze Liste der EU komme.

Was sagen die Gegner?

Die Gegnerschaft stört sich an der Verknüpfung zweier sachfremder Themen - Steuerreform und AHV-Sanierung - die "undemokratisch" sei. Von linker Seite wird moniert, dass Unternehmen auch mit der neuen Vorlage Steuerprivilegien geniessen und dadurch Steuerausfälle drohten. Von bürgerlicher Seite zielt die Kritik auf die Zusatzfinanzierung der AHV, die eine "echte" AHV-Reform verhindere und ein unnötiges Zugeständnis an die Linke sei. Mit der einseitigen Finanzspritze in die erste Säule werde eine strukturelle Reform von AHV und beruflicher Vorsorge weiter verschleppt.

Wie gut stehen die Chancen für die Initiative?

Bisherige Meinungsumfragen deuten auf eine Annahme der AHV-Steuervorlage hin. Laut einer SRG-Trendumfrage hätten per Ende März 54 Prozent der Befragten für die Vorlage gestimmt und 37 Prozent dagegen. Die restlichen neun Prozent waren noch unentschlossen. Ein etwas deutlicheres Ja gab es bei der Tamedia-Abstimmungsumfrage vom 16. und 17. April: 62 Prozent Ja, 32 Prozent Nein, die restlichen 6 Prozent waren noch unentschlossen. Die grösste Zustimmung gab es dabei von FDP-Wählern (75 Prozent Ja), während umgekehrt die Skepsis unter SVP-Wählern am grössten war (51 Prozent Ja).