Die Gewerkschaft hat der Bahn ein Ultimatum bis Freitag 12.00 Uhr gesetzt. Folge bis dahin keine bessere Offerte, bleibe die Gewerkschaft beim angekündigten 50-stündigen Warnstreik im Bahnverkehr ab Sonntagabend.
Die EVG hatte die Beschäftigten am Donnerstag zum dritten Warnstreik in der laufenden Tarifrunde aufgerufen. Der Ausstand soll von Sonntagabend, 22.00 Uhr, bis Dienstagabend, 24.00 Uhr, dauern. Die Bahn entschied, in dieser Zeit den Fernverkehr komplett einzustellen. Auch bei DB Regio wird demnach kaum ein Zug fahren. Beide Seiten hatten bis in den späten Donnerstagabend hinein in Köln zusammengesessen, um eine Lösung im festgefahrenen Tarifkonflikt zu finden. Knackpunkt ist die Thematik rund um den gesetzlichen Mindestlohn.
Zum Warnstreik sind auch die sogenannten Fahrdienstleiter aufgerufen, die den täglichen Bahnverkehr auf dem gesamten deutschen Schienennetz koordinieren. Deshalb sind Bahn-Unternehmen betroffen, die am Tarifkonflikt gar nicht beteiligt sind. Auch der Güterverkehr dürfte weitgehend zum Erliegen kommen.
Aus Sicht der Deutschen Bahn (DB) gibt es keinen Grund mehr für den Warnstreik. "In intensiven Gesprächen bis zum späten Donnerstagabend" habe man der EVG zugesagt, ihrer vor Monaten erhobene Forderung nach einer Abbildung des gesetzlichen Mindestlohns nachzukommen, teilte der Konzern gegen Mitternacht mit. Etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichen den Mindestlohn bislang nur über Zulagen. Insgesamt verhandelt die EVG für 180 000 Beschäftigte bei der DB und weitere 50 000 bei weiteren Bahn-Unternehmen.
"Wir haben die Forderung zum Mindestlohn erfüllt, jetzt steht die EVG im Wort", hob DB-Personalvorstand Martin Seiler hervor. "Die EVG muss nun ihre Zusage einhalten und den 50-stündigen Warnstreik absagen." EVG-Verhandlungsführer Loroch sprach von einem "Scheinangebot" der Bahn. "Der Arbeitgeber hat am Ende nach langwierigen Gesprächen eine Lösungsoption auf den Tisch gelegt, die für uns diskussionswürdig war. Nachdem wir angefangen haben, diese zu diskutieren, hat er dann einen Rückzieher gemacht."
Die Güter-Konkurrenten forderten die Deutsche Bahn auf, einen Notbetrieb zu organisieren. "Die nicht im Tarifkonflikt stehenden Unternehmen dürfen weder vorsätzlich noch fahrlässig indirekt geschädigt werden", heisst es in einem Schreiben des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen an die Bahn-Infrastruktursparte DB Netz.
Grundsätzlich sei angesichts eines zweitägigen Warnstreiks auf der Schiene aber nicht zu erwarten, dass die deutsche Wirtschaft in die Knie gezwungen werde, heisst es vom Güterbahn-Verband. Zwar gebe es Industriezweige, die zeitkritisch kalkulierten wie die Auto- oder die Mineralölindustrie. Doch auch dort dauere der Warnstreik für ernsthafte Auswirkungen nicht lang genug.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, hält es für unnötig, dass die Bahn den Fernverkehr für 50 Stunden einstellt. "Die EVG ist bei der Netztochter DB Netz nicht so stark organisiert, dass die Deutsche Bahn gezwungen wäre, den Schienenverkehr einzustellen", sagte Weselsky dem Nachrichtenportal "The Pioneer" (Freitag).
Die kleinere GDL rivalisiert im Bahn-Konzern mit der EVG um Mitglieder und Einfluss. Weselsky sagte: "Ich bin mir sicher, dass es keinen Abschluss geben wird, bevor wir unsere Forderungen aufgestellt haben." Die GDL verhandelt neue Tarifverträge für die bei ihr organisierten Lokomotivführer und das Zugpersonal ab Spätsommer. Am 5. Juni will die GDL ihre Forderungen offiziell verkünden.
Ungeachtet wiederholter Warnstreiks hält das Interesse am Deutschlandticket an. Knapp ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger will es einer Umfrage zufolge im Laufe dieses Jahres kaufen. Unter den 14- bis 29-Jährigen wolle sogar knapp die Hälfte (49 Prozent) das Ticket erwerben, wie aus einer Befragung der Verbraucherzentrale hervorging, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Allerdings finden demnach auch 30 Prozent aller Befragten das Ticket zu teuer. Für 49 Euro im Monat erlaubt es, bundesweit den Nah- und Regionalverkehr zu nutzen./bf/DP/stk
(AWP)