Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Mai zusammen 0,2 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Ökonomen hatten zwar mit einem höheren Anstieg von 0,4 Prozent gerechnet, das Plus vom April fiel mit 1,3 Prozent allerdings auch fast doppelt so stark aus wie zunächst gemeldet. "Das Verarbeitende Gewerbe erholte sich im Mai ein Stück weit von dem externen Schock, den es durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erhalten hatte", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.

Der russische Krieg gegen die Ukraine hatte am 24. Februar begonnen und im März zu einem massiven Produktionseinbruch in Deutschland geführt. Die Industrie stabilisierte sich zwar wieder, erklärte das Ministerium von Ressortchef Robert Habeck. "Die nach wie vor hohe Unsicherheit durch den Krieg und das Risiko eines weitgehenden Lieferstopps beim russischen Gas wird jedoch viele Industrieunternehmen in den kommenden Monaten vor sehr grosse Herausforderungen stellen."

Die Industriedaten machten Hoffnung, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum im zweiten Quartal besser ausfalle als erwartet, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. "Viele Industriebereiche leiden aber nach wie vor unter fehlenden Teilen und müssen ihre Produktion herunterfahren oder gar in einzelnen Segmenten ganz einstellen." Zudem sorgten Gaslieferungen aus Russland für Risiken. "Sollte es im schlimmsten Falle zu einer Gasrationierung kommen, befänden sich Teile der Industrie im Lockdown." Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank sieht neben der Gas-Frage den Materialmangel als Kernproblem, wodurch Bestellungen nicht abgearbeitet werden könnten. "Wirklich beruhigen können die Auftragspolster daher nicht."

Die Industrie allein steigerte ihren Ausstoss um 0,6 Prozent, während im Baugewerbe die Produktion um 0,4 Prozent kletterte. Im Bereich Energie hingegen drosselten die Betriebe die Produktion um 5,8 Prozent an, nachdem es im April ein deutliches Plus gegeben hatte.

Die Aussichten sind wegen des anhaltenden Krieges gedämpft. Immerhin stagnierte das Neugeschäft der Industrie im Mai weitgehend, nachdem die Betriebe zuvor drei Monate in Folge weniger Aufträge eingesammelt hatten. "Wurde die Industrie Anfang des Jahres noch vor allem durch angebotsseitige Engpässe behindert, so wird immer mehr eine sinkende Nachfrage zum Problem", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. "Die Auftragseingänge sinken im zweiten Quartal deutlich und gleichzeitig türmen sich die Fertigwarenlager immer höher, weil Produkte nicht abgesetzt werden können."

Anhaltende Lieferkettenstörungen weltweit versetzen nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern der Weltkonjunktur insgesamt einen Dämpfer.

(Reuters)