"Die Lage am Gasmarkt ist angespannt, und wir können eine Verschlechterung der Situation leider nicht ausschliessen", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass sich die Lage zuspitzt." Deshalb sollten Instrumente nachgeschärft werden. "Es geht darum, alles zu tun, um auch im kommenden Winter die grundlegende Versorgung aufrechtzuerhalten und die Energiemärkte so lange es geht am Laufen zu halten - trotz hoher Preise und wachsender Risiken."

Hintergrund ist die Drosselung russischer Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1. Dadurch geriet Deutschlands grösster Importeur von russischem Erdgas, Uniper, in Turbulenzen und rief nach Staatshilfen. Die Probleme könnten sich verschärfen. Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Die grosse Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Uniper spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Energieversorgung und beliefert viele Stadtwerke. Der Konzern kann aber derzeit Mehrkosten beim Einkauf von Gas nicht an die Kunden weitergeben. Daraus entstünden deutliche finanzielle Belastungen, hatte das Düsseldorfer Unternehmen bekanntgegeben.

Die Bundesregierung verhandelt mit Uniper über staatliche Hilfen. Möglich ist, dass sich der Bund beteiligt. Das "Handelsblatt" berichtete, es werde in der Regierung darüber diskutiert, dass der Bund ein Paket von neuen Aktien zeichne. Zudem sei eine stille Beteiligung im Gespräch. Das Volumen könnte zwischen drei Milliarden und fünf Milliarden Euro liegen.

Wie aus einer Ampel-Fraktion verlautete, könnten Stützungsmassnahmen von Unternehmen, etwa durch Kapital oder durch Übernahme von Firmenanteilen durch den Bund, notfalls auch gegen den Willen des Mehrheitseigentümers geschehen. In der Corona-Krise hatte der Bund mit Milliardengeldern die Lufthansa gestützt und sich an dem Konzern beteiligt.

Habeck sagte: "Wir werden nicht zulassen, dass wir einen systemischen Effekt im deutschen und europäischen Gasmarkt bekommen, weil dann Dominoeffekte eintreten und von einer Unternehmenspleite andere Branchen oder gar die Versorgungssicherheit insgesamt erfasst wird."

Das Gas, das zu vergleichsweise günstigen Verträgen in Russland bestellt worden sei, komme teilweise nicht. Die Verträge, die Energieversorger aber mit Stadtwerken oder der Industrie haben, müssten bedient werden. Die Energieunternehmen müssten nun auf dem Markt Gas zu immens hohen Preisen nachkaufen und würden so ins Minus geraten. "Das ist das Problem. Dieses Minus können Unternehmen eine zeitlang aushalten, aber sicherlich nicht grenzenlos."

Priorität sollen nun Stabilisierungsmassnahmen für Energieunternehmen haben - damit Gasversorger ihren Kunden nicht massenhaft die Verträge kündigen und die Tarife erhöhen.

Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sagte: "Sollten Unternehmen etwa durch das Ausbleiben von Gaslieferungen in Schieflage geraten, dann können diese unter hohen Auflagen vom Staat gestützt werden. So kann verhindert werden, dass grosse Preissprünge ungedämpft wie eine Schockwelle in den Markt gehen und Schäden produzieren."

Zugleich soll ein Mechanismus als Option geschaffen werden, um Lasten im Fall der Fälle gleichmässiger auf alle Kunden verteilen zu können. Dabei handelt es sich um ein Umlagesystem - ähnlich wie bei der inzwischen abgeschafften EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über die Stromrechnung. Der bestehende Preisanpassungsmechanismus im Energiesicherungsgesetz ist laut Wirtschaftsministerium enger und hängt davon ab, welcher Importeur die Preise weiterreicht. Die Umlage würde über alle Gaskunden erfolgen und wäre für alle Kunden gleich hoch.

Der Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU, Ingbert Liebing, sagte, eine Umlage wäre weitaus besser als eine reine Preisweitergabe - eine solche könnte zu einer sehr hohen, kurzfristigen und ungleichen Belastung der Gaskunden führen. "Wichtig ist aber auch: Wir müssen uns auf weitere Verwerfungen im Gasmarkt vorbereiten. Daher brauchen wir ausserdem schnell ein Insolvenzmoratorium und die notwendigen Verabredungen über einen Schutzschirm auch für Stadtwerke." Noch nie sei die Lage der Energieversorgung in der Bundesrepublik so angespannt gewesen.

Der Verbraucherzentralen-Verband VZBV erklärte, der Umlagemechanismus werde sicher Preisspitzen für einzelne Verbraucher abfedern. Dennoch habe der Gesetzesentwurf eine Schlagseite zulasten der Verbraucher, die die Preise hauptsächlich schultern müssten - durch die Umlage und indirekt durch den steuerfinanzierten Rettungsschirm.

Die Bundesregierung will ausserdem ihren Instrumentenkasten für mögliche Einzelmassnahmen zum Energiesparen erweitern. Massnahmen sollen auch schon vor Eintritt des Krisenfalls über Verordnungen getroffen werden können./hoe/DP/jha

(AWP)