Die Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und das Bundeskanzleramt einigten sich grundsätzlich auf einen Entwurf, wie es am Montag aus Regierungskreisen hiess. Zuerst hatte der "Spiegel" darüber berichtet.

Ein Entwurf zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes lag auch der Deutschen Presse-Agentur vor. Darin geregelt sind Finanzhilfen bis hin zur Übernahme von Firmenanteilen, um die Pleite eines Gasversorgers abwenden zu können.

Ziel sei es, den Handlungsspielraum der Bundesregierung zu erweitern, wie es aus Koalitionskreisen hiess. Die Ampel-Fraktionen sollen voraussichtlich am Dienstag zustimmen. Aus den Kreisen hiess es, mit vermutlich milliardenschweren Stabilisierungsmassnahmen für Unternehmen wie Uniper sollten drastische Preissprünge für Gaskunden verhindert werden.

Im Entwurf heisst es, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollten Stabilisierungsmassnahmen bei "Unternehmen der Kritischen Infrastruktur" durch den Bund erleichtert werden- das zielt auf Energieversorger. Solche Massnahmen kämen nur in Betracht, wenn sie von dem betroffenen Unternehmen beantragt werden.

Russland hatte die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 stark gedrosselt. Dadurch geriet Deutschlands grösster Importeur von russischem Erdgas, Uniper, in Turbulenzen und rief nach Staatshilfen. Wie Uniper mitgeteilt hatte, kommt dafür eine Reihe von Instrumenten in Frage - wie zum Beispiel Garantie- und Sicherheitsleistungen bis hin zu Beteiligungen in Form von Eigenkapital. Das bedeutet, der Staat würde bei Uniper einsteigen.

Die Bundesregierung hatte bestätigt, mit Uniper über Stabilisierungsmassnahmen zu sprechen. Das Wirtschaftsministerium arbeitet nach Angaben einer Sprecherin "unter Hockdruck" an Lösungen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Montag, Ziel sei es, sich für eine weiter angespannte Lage auf den Energiemärkten zu wappnen und den Instrumentenkasten zu füllen. Die Energiemärkte müssten funktionsfähig bleiben. Die Sprecherin wies darauf hin, Uniper habe einen bestehenden Kreditrahmen über die Staatsbank KfW über 2 Milliarden Euro noch nicht gezogen.

Uniper spielt als grosser Gasimporteur eine zentrale Rolle für die deutsche Energieversorgung und beliefert viele Stadtwerke. Uniper kann aber derzeit Mehrkosten beim Einlauf von Gas nicht an die Kunden weitergeben - daraus entstünden signifikante finanzielle Belastungen, hatte das Unternehmen bekanntgegeben.

Der Staat könnte nun Uniper finanziell unter die Arme greifen. Dies wurde in den Koalitionskreisen als erste Option bezeichnet. Die andere Möglichkeit wäre, dass die Gaskunden Preissprünge zahlen - dies könnte aber zu drastischen Preiserhöhungen für Verbraucher führen.

Das bestehende Energiesicherheitsgesetz ermöglicht ein "Preisanpassungsrecht" für Versorgungsunternehmen. Dazu muss die Bundesnetzagentur eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland" formal festgestellt haben, was noch nicht geschehen ist. Wird der Mechanismus aktiviert, könnten Versorger ihre aktuellen Mehrkosten innerhalb von kurzer Zeit an ihre Kunden weitergeben und zu grossen Preissprüngen führen.

Habeck hatte vor einer möglichen "Preisexplosion" bei einigen Stadtwerken gewarnt. Um Preissprünge gerechter auf die Verbraucher zu verteilen, arbeitet die Bundesregierung deswegen an einem Umlagesystem. Damit könnten Belastungen gleichmässiger auf alle Verbraucher verteilt werden, wie es hiess.

Die Probleme von Energieunternehmen könnten sich noch verschärfen, denn am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fliesst kein Gas durch die Pipeline. Die grosse Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht. Vor einem solchen Totalsausfall russischer Gaslieferungen durch Nord Stream hatten Habeck und die Bundesnetzagentur gewarnt.

Die Bundesnetzagentur schrieb am Montag in ihrem Lagebericht, die Gasversorgung in Deutschland sei im Moment aber stabil. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei weiter gewährleistet. Es werde weiterhin Gas eingespeichert. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen demnach bei 61,85 Prozent. Oberstes Ziel der Bundesregierung ist es, das die Speicher zu Beginn der Heizperiode im Herbst fast voll sind.

Um angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und einem möglichen Ausfall von Lieferungen weniger abhängig von russischem Gas zu sein, soll ausserdem der Gasverbrauch vor allem in der Industrie sinken. Dafür sollen auch mehr Kohlekraftwerke einspringen.

Ausserdem soll mehr Flüssigerdgas (LNG) aus anderen Ländern importiert werden. Dazu sind zunächst schwimmende Terminals geplant. Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg gab nach Angaben von Uniper am Montag grünes Licht für den vorzeitigen Baustart für Deutschlands erstes Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven. Über das schwimmende LNG-Terminal sollen bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr umgeschlagen werden. Das entspreche etwa 8,5 Prozent des aktuellen deutschen Gasbedarfs pro Jahr, hiess es. Angestrebt wird eine Inbetriebnahme im kommenden Winter./hoe/DP/jha

(AWP)