Ausgestattet mit neuen Prognosen, die einen schnelleren Preisanstieg in der Eurozone signalisieren als bisher angenommen, sowie einer schwächeren Erholung von der Pandemie, will die Notenbank die Nettokäufe im Rahmen des 2015 begonnenen Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) zum 1. Juli einstellen.

Der Einlagensatz - derzeit minus 0,5 Prozent - soll im nächsten Monat um einen Viertelpunkt angehoben werden, und im September erneut um diesen Betrag oder mehr, falls die Inflation eine härtere Gangart rechtfertigt. 

Mehr als 60 andere Zentralbanken in der Welt haben die Leitzinsen in diesem Jahr bereits erhöht. Die Inflation im Euroraum ist im Mai auf 8,1 Prozent gestiegen und liegt damit bei mehr als dem Vierfachen des EZB-Ziels. 

EZB erwartet nun höhere Inflation

Die Teuerungsprognosen wurden angehoben. Die EZB-Volkswirte gehen nun von einer jährlichen Inflationsrate von 6,8 Prozent im Jahr 2022 aus, bevor sie auf 3,5 Prozent im Jahr 2023 und 2,1 Prozent im Jahr 2024 schrumpfen soll. Der Wachstumsausblick indessen wurden deutlich gesenkt: Bei der Wirtschaftskraft des Euroraums rechnen die Notenbankökonomen real mit Wachstumsraten von 2,8 Prozent 2022, 2,1 Prozent 2023 und ebenfalls 2,1 Prozent 2024. 

Die EZB-Medienkonferenz kann hier in der Wiederholung angesehen werden: 

EZB-Präsidentin Christine Lagarde dämpfte die Hoffnung auf einen schnellen Rückgang der Inflation im Euro-Raum durch die für Juli angekündigte Zinswende. "Erwarten wir, dass die Zinserhöhung im Juli unmittelbare Auswirkungen auf die Inflation haben wird? Die Antwort lautet: Nein", sagte Lagarde am Donnerstag in Amsterdam nach der auswärtigen Zinssitzung der Währungshüter. 

Die Zinswende ist ihren Angaben nach von der EZB-Führung mit grosser Einigkeit getroffen worden. "Die Entscheidung wurde einstimmig gutgeheissen", sagte Lagarde. "Wir hatten eine sehr produktive Diskussion." Sie signalisierte zugleich, dass der nächste Zinsschritt im September grösser ausfallen könnte als die für Juli anvisierte Anhebung von 0,25 Prozentpunkten.

Voraussetzung dafür sei, dass die hauseigenen Prognosen die Inflationsrate im Jahr 2024 bei 2,1 Prozent oder höher sehen. Die EZB strebt eine Inflationsrate von mittelfristig zwei Prozent an, was sie 2024 das vierte Jahr in Folge verfehlen könnte. Aktuell liegt die Teuerungsrate auf dem Rekordniveau von 8,1 Prozent.

Furcht vor Stagflation

In dieser Woche haben die Prognosen der Weltbank und der OECD die Befürchtungen einer Stagflation verstärkt. Der Krieg in der Ukraine treibt die Energiekosten in die Höhe und schwächt die Zuversicht. Auch Lieferkettenprobleme belasten die Wirtschaft. Obgleich der Höhepunkt der globalen Inflation überschritten sein könnte, sagt Barclays für den Euroraum eine leichte Rezession voraus.

Von Bloomberg befragte Volkswirte sind weniger pessimistisch, doch rechnen damit, dass die EZB ihre Prognosen für die nächsten beiden Jahre deutlich senken wird.

Die Zinsen für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität wurden heute bei 0,00Prozent, 0,25Prozent beziehungsweise minus 0,50Prozent belassen.

(Bloomberg)