Scheinbar ist der Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank vom Donnerstag ein Non-Event. Leitzinsen? Keine Veränderung, wie gehabt seit Januar 2015. Die Schweiz bleibt in Sachen Leitzinsen damit Weltrekordhalterin – im sprichwörtlich negativen Sinn.

Alles beim Alten also? Nein. Wir stehen nach viereinhalb Jahren womöglich an einem neuen Punkt der Leitzinsentwicklung. Und es ist nicht die erhoffte Aufweichung des harten SNB-Negativzinsregimes. Die SNB ist im Gegenteil bereit, den Zentralbanken weltweit zu folgen und die Zinsen sogar noch deutlicher ins Minus zu drücken, wie SNB-Präsident Thomas Jordan Mitte April andeutete. Auf ein noch tieferes Weltrekordniveau von vielleicht minus 1 Prozent.

Ist das tatsächlich zwingend? Zunächst muss man wissen: Die SNB-Führung unter Thomas Jordan lässt sich seit Jahren von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank leiten. Deutet die EZB eine Zinssenkung an, weil es unter anderem im Euroraum wieder mal kracht, zieht die SNB nach. Damit die heilige Zinsdifferenz zum Euroraum (dort 0 Prozent, bei uns minus 0,75 Prozent) bestehen bleibt. Damit der Franken nicht noch weiter aufwertet und die Schweizer Volkswirtschaft keinen Schaden erleidet.

Dass unsere Exporte im Ausland preislich wettbewerbsfähig bleiben - dagegen ist nichts einzuwenden. Nur sollte man diese Politik nicht überstrapazieren. Und die SNB wird sich sehr gut überlegen müssen, ob sie in Zukunft eine noch härtere Negativzins-Politik führen will. Warum?

Erstens: Fehlende Wirkung der Zinsdifferenz. Es gibt keinerlei Beweise, schon gar keine wissenschaftlichen, dass noch tiefere Zinsen den Franken vor einer weiteren Aufwertung schützen. Eine abschreckende Wirkung für Frankenspekulanten von zum Beispiel minus 1 Prozent Leitzins wird unter Ökonomen angezweifelt. Übrigens auch vom ehemaligen Anlagechef – ausgerechnet - der SNB.

Zweitens: Öffentliche Wahrnehmung der Strafzinsen. Die Verlierer nach fast fünf Jahren Negativzinsen in der Schweiz äussern zunehmend ihren Ärger: Banken, Pensionskassen, Versicherer, Sparer. Mehr und mehr zur Verliererin wird die SNB selber am Immobilienmarkt. Diesen müsste sie punkto Preisniveau und Bauvolumen im Lot halten. Tatsache ist, dass er wegen der Tiefzinsen ausufert.

Drittens: Eurozone bleibt Problemzone. Seit fast zehn Jahren hofft die SNB auf eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung der Eurozone, damit die EZB (und auch die SNB) die Zinsen endlich erhöhen kann. Tatsache ist aber: Die Krisen in der Eurozone werden noch heute wie ein Wanderpokal weitergereicht. Zuletzt ist er wieder in Italien angekommen. Eine dauerhafte politische Stabilisierung und Einheit der Eurozone - das bleibt wohl ein Wunschtraum.

Die SNB kann nicht ganz unabhängig von der EZB agieren, das ist allen klar. Aber sie sollte angesichts von Rahmenbedingungen, die sich in den nächsten Jahren kaum ändern werden, langsam Ansätze einer eigenständigeren und mutigeren Geldpolitik zeigen.