Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer sind mit der Steuerzahlung im Rückstand. Gemäss Bundesamt für Statistik besitzen 10,3 Prozent der Bevölkerung Steuerschulden.

Speziell gefährdet sind jüngere Personen: "Viele junge Erwachsene sind überrumpelt mit dem Schweizer Steuersystem und dadurch gefährdet, in die Schuldenfalle zu tappen", sagt Agnes Würsch, Verantwortliche Prävention bei der Basler Budget- und Schuldenberatung Plusminus, auf cash-Anfrage. 81 Prozent aller Personen, die in der Schweiz zur Schuldenberatung gehen und nicht quellenbesteuert sind, hätten Steuerschulden.

Damit schuldengefährdeten Personen beim Bezahlen der Steuerrechnung künftig eine böse Überraschung ausbleibt, will der Kanton Basel-Stadt nun den direkten Steuerabzug vom Lohn einführen. Konkret soll der Arbeitnehmer die Wahl haben, jeden Monat direkt zehn Prozent vom Bruttolohn der Steuerverwaltung zu überweisen - oder die Steuern wie bisher zu begleichen. Dem Arbeitgeber wird für den entstandenen Aufwand eine Provision vergütet.

Die Bevölkerung will den Direktabzug

Ein Vorschlag, der bei der Schweizer Bevölkerung sehr gut ankommt: In den letzten vier Jahren haben sich bei Umfragen von Sonntagsblick, 20 Minuten und Tagesanzeiger jeweils immer mindestens zwei Drittel aller Teilnehmer für einen direkten Abzug der Steuern vom Lohn ausgesprochen (zur aktuellen Umfrage von cash).

Doch was wäre der entscheidende Vorteil eines solchen Systems? "Die Hauptmotivation hinter dem Anliegen ist die Schuldenprävention", sagt Würsch. Da der Lohnanteil, welcher für die Steuern wegfällt, gar nie in die Hände des Arbeitnehmers kommt, gerät er erst gar nicht in Versuchung, dieses Geld für andere Dinge auszugeben.

Eine detailliertes Gutachten zum Thema von FehrAdvice & Partners kommt denn auch zum Schluss, dass ein solches System die Steuerschulden und die private Gesamtverschuldung reduzieren könnte und in der mittleren Frist viele Verschuldungen erst gar nicht entstehen liesse.

Wichtige Grundvoraussetzung für eine hohe Wirkung ist gemäss dem Gutachten das sogenannte "Opt-out-Prinzip". Dieses besagt, dass der Direktabzug der Regelfall sein sollte und die betroffene Person von sich aus aktiv werden muss, damit die Steuern nach dem bisherigen Prinzip ausgefüllt werden können. Wer nichts unternimmt, dem werden – im Falle vom Kanton Basel-Stadt - monatlich 10 Prozent vom Lohn abgezogen. 

Mehr Aufwand, unklarer Nutzen

Kritiker dieses Systems stellen sich die Frage, ob sich eine Umkrempelung des Steuersystems tatsächlich lohnt, nur weil ein gewisser Prozentsatz der Steuerpflichtigen die eigenen Finanzen "nicht unter Kontrolle" hat. Vor allem bürgerliche Parteien appellieren hierbei an die Eigenverantwortung der Bürger, sprechen im Falle eines Direktabzuges der Steuern vom Lohn von einer "Bevormundung der Bürger".

Eine klare Haltung nimmt auch der Arbeitgeberverband Basel ein: "Wir lehnen das Anliegen vehement ab", äussert sich Frank Linhart, zuständiger für die Öffentlichkeitsarbeit, gegenüber cash. Letzten Endes bedeute das neue System für die Arbeitgeber mehr administrativer Aufwand und höhere Kosten. "Ausserdem werden sie zum Handlanger der Steuerbehörden."

Zwar sieht auch Agnes Würsch von Plusminus ein, dass Arbeitgeber durch das veränderte Steuersystem eine neue Aufgabe bekämen. Doch sei der Aufwand mit einer entsprechenden Lohnsoftware nicht allzu gross: "Die Lohnadministration muss dann einen Teil des Lohnes auf ein zweites Konto überweisen, so wie sie das auch bei Unterhaltszahlungen oder Lohnpfändungen macht", sagt Würsch. Ausserdem würden die Firmen mit einer Provision für den Mehraufwand entschädigt werden.

Eine Illusion ist im Übrigen der von vielen Steuerpflichtigen erhoffte Minderaufwand durch den direkten Lohnabzug: Arbeitnehmer müssen weiterhin die jährliche Steuererklärung ausfüllen. Einerseits um zu prüfen, ob die einbezahlte Einkommenssteuer korrekt ist (je nachdem kann auch ein gewisser Betrag rückvergütet werden). Andererseits fallen - zumindest solange das neue Steuersystem nicht auf allen Ebenen eingeführt wird - die direkte Bundessteuer und die Gemeindesteuer weiterhin wie bisher an. 

Zuerst Basel, dann die ganze Schweiz?

Die Meinungen zu diesem Thema sind sehr gespalten, die politische Debatte darüber mitunter recht hitzig. Und in Basel-Stadt ist das letzte Wort dazu noch nicht gesprochen: Der Vorschlag muss noch durch einige Instanzen und kann frühestens im Herbst 2017 definitiv angenommen werden.

Würsch spricht jedenfalls davon, dass der Kanton-Basel mit der Einführung eine Pionierrolle übernehmen könne und bei erfolgreichen Erfahrungen zu einem späteren Zeitpunkt eine schweizweite Einführung denkbar sei. Für Linhart hingegen ist das neue System "sinnlos". Und er weist darauf hin, was mit dem jetzigen Steuersystem bereits möglich ist: "Wer regelmässig Steuergelder überweisen will, kann es heute schon tun, in dem er einen Dauerauftrag der Bank erstellt und monatlich seine Steuern begleicht."

Was meinen Sie dazu? Sollen Arbeitnehmer die Möglichkeiten haben, Steuern direkt vom Lohn abziehen zu lassen? Gehen Sie hier zur cash-Online-Umfrage.