Am Dienstag, den 3. November, bestimmen die Wahlberechtigten in den USA nicht nur den Präsidenten des Landes, sondern auch alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat. Der Demokrat Joe Biden tritt in der Präsidentschaftswahl gegen den amtierenden Präsidenten und Republikaner Donald Trump an. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten für den Wahltag am Dienstag:

Wer liegt in den Umfragen vorne?

Derzeit zeigen Umfragen einen deutlichen landesweiten Vorsprung für Joe Biden und seine Kandidatin für die Vize-Präsidentschaft, Kamala Harris. Die Polit-Website FiveThirtyEight sieht Biden bei 52 Prozent der Stimmen, Trump bei 43 Prozent. Den Umfragen sollte man indes mit Skepsis begegnen. Vor vier Jahren prognostizierte kein Meinungsforschungsinstitut einen Sieg von Donald Trump. Nicht eine Umfrage, aber eine Prognose: Der US-Politikwissenschaftler Allan Lichtman prognostizierte seit 1984 mit Ausnahme von 2000 alle Gewinner der US-Wahlen richtig. Für 2020 sagt Lichtman einen Sieg Bidens voraus. 

Was ist entscheidend für die Wahl?

Texas wählt seit jeher republikanisch, Kalifornien ebenso traditionsgemäss demokratisch. In anderen Worten: Wie so oft bei US-Präsidentschaftswahlen sind die so genannten "Swing States" oder "Battlegound States" ausschlaggebend für die Wahl. Also Bundesstaaten, bei denen nicht im Vorherein feststeht, ob der Kandidat der Republikaner oder der Demokraten siegen wird. Solche "Wackelstaaten" sind zum Beispiel Florida, Wisconsin oder Michigan. Die "Swing Staes" waren 2016 ausschlaggebend für Trumps Sieg.

Kommt hinzu: Wegen der speziellen Umstände mit der Corona-Pandemie kommen alternativen Wahlarten 2020 vielleicht entscheidende Bedeutung zu. Viele US-Bürger nutzen diesmal die Briefwahl oder das "Early Voting" (vorzeitige Stimmabgabe in einem Wahllokal). Demokratische Wähler nutzen die Briefwahl traditionsgemäss häufiger als Anhänger der Republikaner. Daher äussert Donald Trump vorsorglich schon seit Monaten Zweifel an der Gültigkeit einer Briefwahl. Das Wahlergebnis könne damit niemals genau ermittelt werden und sei anfällig für Manipulation, behauptet der Präsident. 

Wann steht das Wahlresultat normalerweise fest?

Wer als Europäer die Wahl live mitverfolgen will, sollte am 3. November früh ins Bett. Erste Bundesstaaten wie Kentucky melden ihre Resultate am 4. November bereits gegen 1 Uhr mitteleuropäische Zeit. Die ausschlaggebenden "Swing States" wie Florida berichten ab 2 oder 3 Uhr. Zwischen 3 und 4 Uhr morgens sind die ersten Hochrechnungen zu erwarten. Vor vier Jahren stand der Sieg von Donald Trump erst um 8:30 Uhr fest. Die Wiederwahl von Barack Obama im Jahr 2012 dagegen war kurz nach 5 Uhr besiegelt. Das amtliche Endergebnis wird dagegen erst nach ein paar Tagen bekanntgegeben.

Wann steht das Resultat 2020 tatsächlich fest?

Das ist die grosse Frage. Wegen der Corona-Pandemie werden viele US-Bürgerinnen und Bürger brieflich abstimmen. Daher ist wahrscheinlich, dass das Auszählen länger dauern wird. Beobachter schliessen nicht aus, dass es Tage dauern kann, bis auf dieser Ebene das Endresultat feststeht. Dazu kommen andere Unabwägbarkeiten: Donald Trump hat mehrfach damit gedroht, dass er eine Niederlage nicht akzeptieren werde (dies sagte er bereits bei seiner Wahl vor vier Jahren). Er könnte eine Abwahl also anfechten. Dasselbe könnte auch Biden bei einem knappen Wahlausgang tun. Es kann 2020 also Wochen dauern, bis der neue oder alte Präsident feststeht.

Wie reagierte die Börse vor vier Jahren auf die Wahl Donald Trumps?

Der überraschende Sieg von Donald Trump 2016 führte nur kurzzeitig zu einer negativen Reaktion an den US-Börsen. Noch während des frühen Handels schlug das Pendel um und die Aktienmärkte schossen in die Höhe. Die darauffolgende jahrelange Rally wurde nur durch zwei Einbrüche im Jahr 2018 und den Corona-Absturz im Frühjahr 2020 deutlich unterbrochen. Die Börsen applaudierten damit der Steuer- und Deregulierungspolitik Trumps, sie profitierten aber nach wie vor von der ultralockeren Geldpolitik.

Kusrentwicklung des Dow Jones während der US-Präsidentschaft von Donald Trump von November 2016 bis heute (Quelle: Bloomberg)

Wie wird die Börse 2020 kurzfristig reagieren? 

Die Unabwägbarkeiten sind zu gross, um hier verlässliche Prognosen zu erstellen. Die Märkte dürften aber weitaus volatiler reagieren als vor vier Jahren. Die Corona-bedingte Verunsicherung ist 2020 viel grösser. Das zeigt sich bereits im Vorfeld zur Wahl. 2016 verlor der Dow Jones in den vier Wochen vor der US-Wahl rund 2 Prozent. Das ist nun anders: Allein in der letzten Woche betrug das Kursminus beim US-Leitindex 6 Prozent. 

Viel stärker als nur die Wahl des US-Präsidenten beachten Investoren das "Gesamtpaket" der Wahl, das heisst mit den Resultaten für den Kongress (Repräsentantenhaus und Senat). Sollten die Demokraten die Oberhand über beide Kammern gewinnen und auch Biden als Präsidenten stellen (die so genannte "Blaue Welle"), würden die Aktienmärkte wohl negativ reagieren. Hauptargument ist hier, dass Biden die von Trump gesenkten Unternehmenssteuern wieder erhöhen will. 

Positive Kursreaktionen gäbe es bei einer Konstellation wie bisher, bei welcher der Präsident nur eine der beiden Kammern hinter sich weiss. Heute haben die Republikaner im Senat die Mehrheit, aber nicht im Repräsentantenhaus. Sollte Trump Präsident bleiben, würden die Märkte bei geteiltem Kongress wohl stärker steigen als ein Präsident Biden mit gleicher Parlamentskonstellation.

Wie wird die Börse mittel- und langfristig reagieren? 

Dass ein demokratischer Präsident schlecht ist für die Börsen, ist eine weit verbreitete Meinung. Zwar ist belegt, dass die Börsen nach einem demokratischen Sieg in den Monaten nach der Wahl schlechter abschneiden als nach einem republikanischen. Allerdings drehten die Märkte anschliessend fast immer. Es gibt sogar langfristige Berechnungen (unter anderen von der Credit Suisse), die sagen, dass Börsen unter demokratischen Präsidenten mehr zulegen als unter republikanischen.

Wichtiger für den langfristigen Trend der US-Börsen sind derzeit andere Faktoren als die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten. Die US-Wirtschaft muss sich von der grössten Wirtschaftskrise seit 1933 erholen, es braucht weitere billionenschwere Corona-Konjunkturpakete.

Die wahren Lenker der Börsen sitzen ohnehin nicht im Weissen Haus in der US-Hauptstadt, sondern dort ein paar Häuserblocks weiter südwestlich: Nämlich am Sitz der Federal Reserve. Die ultralockere Geldpolitik der US-Notenbank befeuert die Börsen seit Jahren - und sie wird es auch weiter tun. Ein geldpolitischer Kurswechsel der Fed ist trotz der Annahme, dass Fed-Chef Jerome Powell 2022 abtreten muss, kaum wahrscheinlich. 

Welche Aktien könnten profitieren oder verlieren?

Joe Biden will im Rahmen eines Konjunkturprogramms 2 Billionen Dollar für saubere Energie ausgeben. Solar- und Windenergiefirmen könnten dadurch Schub erhalten. Traditionelle Ölkonzerne würden demgegenüber zu den grössten Verlierern eines Wahlsiegs von Biden gehören. 

Europäischen Autoproduzenten winken bei einem Biden-Sieg Kursgewinne, weil dadurch das Risiko eines Handelskrieges zwischen den USA und Europa sänke. Da Biden wie Trump Milliardensummen in die Infrastruktur stopfen wollen, werden Bau- und Infrastrukturtitel profititieren – sofern die Vorhaben umgesetzt werden.

Voraussagen für Pharmaaktien sind unsicher. Trump will die Preise für rezeptpflichtige Medikamente deutlich senken. Das hatte er allerdings schon vor vier Jahren gesagt, ohne dass er seither viel unternommen hätte. Biden plant die staatliche Krankenversicherung auszuweiten und will ebenfalls tiefere Medikamentenpreise, allerdings nicht so deutlich wie Trump.

Aktien aus der Finanzbranche würden bei einem Sieg Bidens wegen der angestrebten Unternehmenssteuererhöhung zunächst wahrscheinlich leiden. Dasselbe gilt für Technologieaktien. Unter speziellen Druck kämen Bankaktien wohl dann, wenn der Ausgang der Wahl eine Hängepartie von Wochen werden sollte.

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