cash.ch: Wie haben sich Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Wohnimmobilien in den letzten Monaten entwickelt?

Ines von der Ohe: Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist noch immer sehr angespannt. Schweizweit entfielen zu Beginn dieses Jahres beim Stockwerkeigentum 2,3 Suchabos auf ein Wohnungsinserat. Bei den Einfamilienhäusern waren es 3,9 Suchabos pro Inserat. Im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt hat sich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage damit beim Stockwerkeigentum sogar noch weiter angespannt. Wir sehen das auch an den vielerorts gesunkenen Insertionsdauern. 

Warum ist keine Entspannung in Sicht? 

Die Nachfrage nach Wohneigentum ist nach wie vor hoch, insbesondere weil das Finanzierungsumfeld mit den tiefen Zinsen noch günstig ist. Massgebend zur angespannten Lage beigetragen hat jedoch die stockende Angebotsentwicklung. So kommen nach wie vor immer weniger Objekte auf den Markt.

Woran liegt es, dass das Angebot an inserierten Wohnimmobilien so spärlich ausfällt?

Bauland ist eben nur begrenzt verfügbar und Investoren fokussieren sich auf die Entwicklung von Renditeliegenschaften, womit zuletzt vor allem Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen entstanden sind. Zudem haben wir beobachtet, dass die Pandemie auf Seiten der Behörden vielerorts den Baubewilligungsprozess verzögert hat, was ebenfalls zur heutigen Angebotsknappheit beiträgt - einerseits verzögerten sich die Prozesse wegen Corona, andererseits kämpften die Behörden mit einer hohen Auslastung. 

Können Sie hierzu ein Beispiel geben?

Im Wirtschaftsraum Zürich waren in der zweiten Jahreshälfte 2021 rund 20 Prozent weniger Eigentumswohnungen inseriert als im Vorjahreshalbjahr. Und wir haben die Entwicklung schweizweit schon Mitte letzten Jahres vor Augen geführt bekommen, als das BFS die Leerwohnungszahlen veröffentlichte. Gemäss Bundesamt für Statistik standen per 1. Juni 2021 rund 10'590 Wohnobjekte zum Verkauf - ein Wert, der um 15,4 Prozent tiefer liegt als zum Vorjahreszeitpunkt.

Wie werden sich die Preise für Wohnimmobilien entwickeln?

Solange die Finanzierungsbedingungen stimmen, dürfte auch die Nachfrage vorerst nicht spürbar abnehmen. Zwar könnte sich das Angebot künftig vorübergehend etwas ausweiten. Denn Baubewilligungen für Neubauprojekte, die im letzten Jahr etwas länger hängig waren, dürften alsbald auf den Markt kommen. Das zusätzliche Angebot dürfte aufgrund des regen Interesses nach Eigentum jedoch ebenso rasch vom Markt absorbiert werden. Damit würde die Marktliquidität auch in absehbarer Zukunft nicht gross zunehmen, was die Preise grundsätzlich hochhält und weitere Preisanstiege nicht ausschliessen lässt.

Doch wer kann sich diese hohen Preise noch leisten? 

Gerade in den grossen Wirtschaftsregionen, wo viele Beschäftigte in den wertschöpfungsstarken Branchen beschäftigt sind, gibt es noch immer eine Käuferschicht, die die hohen Preise mitgeht. Zudem dürfte diese wohlhabendere Käuferschicht in der Pandemie ihr Vermögen dank gut laufender Kapitalmärkte noch gesteigert haben. Dies führte dazu, dass die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen im letzten Jahr sogar in den Grosszentren und den angrenzenden Agglomerationsgemeinden nochmals gestiegen sind - obwohl Wohneigentum eben dort für die wenigsten überhaupt noch erschwinglich ist.

Was bedeutet das in Zahlen ausgedrückt?

Im Wirtschaftsraum Zürich sind die mittleren Kaufpreise in allen Regionen gestiegen, in einzelnen Regionen bis zu 12 Prozent. Spitzenreiter bei den Preisen ist die Stadt Zürich mit rund 14’100 Franken pro Quadratmeter. Das sind eindrückliche 5,5 Prozent mehr als noch im letzten Jahr. Und im gesamten Wirtschaftsraum lagen wir sogar bei einem Plus von 8,6 Prozent. 

Wäre jetzt nicht ein guter Zeitpunkt, seine Immobilie zu einem sehr attraktiven Preis zu verkaufen?

Sicher gibt es einige Hausbesitzer, die jetzt noch rasch auf den Zug aufspringen und verkaufen wollen. Wir beobachten in diesem Zusammenhang vermehrt, dass Stockwerkeigentum im Bieterverfahren veräussert wird. Dies hat die Preise zuletzt ebenfalls weiter angeheizt.

Die Inflation hat insbesondere in den USA stark angezogen. Als Folge wird die US-Notenbank Fed 2022 die Leitzinsen deutlich anheben. Das wird die bereits deutlich angestiegenen Hypozinsen beeinflussen. Zeichnet sich hier nicht ein Dämpfer für den Schweizer Immobilienmarkt ab?

Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sich die Inflation nur in den USA weiter aufwärts entwickeln wird. In der Eurozone und in der Schweiz fehlen die Treiber für einen anhaltenden Auftrieb und in der Schweiz ist der Inflationsdruck ohnehin wesentlich geringer.

Die Zinsen steigen aber auch hierzulande…

Ja, die EZB-Pressekonferenz Anfang Februar hat einen starken Renditeschub ausgelöst. Der ganze Markt wurde von der EZB-Präsidentin Lagarde überrascht, die plötzlich Leitzinserhöhungen in Aussicht gestellt hat. In Marktkreisen geht man davon aus, dass die EZB ihren Ausblick im März offiziell anpassen wird. Im Nachgang haben einige Banken hierzulande ihre Zinsprognosen teilweise deutlich angehoben. 

Was bedeutet dies für den Zinsausblick?

Prognostiker der Migros Bank halten es für immer absehbarer, dass die EZB den Einlagesatz ab 2023 anheben wird. Sie gehen jedoch davon aus, dass angesichts der fragilen Finanzlage einiger Mitgliedstaaten die EZB den Leitzins wohl zögerlich und stufenweise erhöhen wird. Dies wiederum würde der SNB in der zweiten Jahreshälfte 2023 ebenfalls eine erste Anhebung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte ermöglichen. Die Migros Bank hat ihre Prognose für die Franken-Zinsen deshalb angepasst. Positive SNB-Leitzinsen seien jedoch frühestens 2024 zu erwarten.

Ein stärkerer Gegenwind für den Schweizer Immobilienmarkt bleibt also vorerst aus?

Je nachdem wie rasch und wie stark das Zinsniveau tatsächlich steigen wird, wirkt sich das entsprechend auch auf das Anlageverhalten von institutionellen Investoren aus. Dieses dürfte sich nach den aktuellen Zinsprognosen jedoch zumindest vorerst noch nicht grundlegend verändern.

Können Sie sich auch ein Szenario mit sinkenden Preisen bei Wohnimmobilien vorstellen?

Ein Anstieg der Franken-Zinsen von 50 bis 75 Basispunkten über alle Laufzeiten würde die Nachfrage nach Wohneigentum hemmen. Zwischenzeitlich wäre mit einem moderaten Rückgang der Kaufpreise zu rechnen. Der Zinsanstieg wäre aber zu limitiert, um die Ausgangslage am Immobilienmarkt grundlegend zu verändern. Der Markt bliebe grundsätzlich gut abgestützt.

Wie haben sich Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Büroliegenschaften in den letzten Monaten entwickelt?

Auf dem Büroflächenmarkt hat sich das Angebot zuletzt weiter ausgeweitet: In den vergangenen sechs Monaten waren in den Schweizer Agglomerationen rund 2,43 Millionen Quadratmeter Bürofläche verfügbar – das sind 7,1 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Während jedoch die Vermarktung hochwertiger Räumlichkeiten in Zentrumslagen gut lief, machen sich bereits kleine Qualitätsabschläge insbesondere bei der Lage und Erreichbarkeit durch grössere Vermarktungsaufwände und längere Insertionsdauern bemerkbar. In der Agglomeration Zürich gilt abseits der Zentrumslagen eine sehr gute Verkehrsanbindung als unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermarktung. Ein fehlender S-Bahn-Anschluss ist für die meisten Suchenden bereits ein Ausschlusskriterium.

Was bedeutet dies für die zukünftige Entwicklung?

Diese gestiegenen Qualitätsansprüche im Büroflächensegment dürften auch künftig anhalten. Denn Homeoffice wird bleiben. Viele Beschäftigte haben die Vorteile im gelegentlichen Remote-Work für sich erkannt und hatten die Gelegenheit, sich über die letzten zwei Jahre zu Hause entsprechend einzurichten. Unternehmen, die ihre Angestellten nun zurück in die Büros holen wollen, müssen sich etwas überlegen. Um das Büro für die Angestellten möglichst attraktiv zu machen, muss dieses "Home-Qualitäten" aufweisen und gut erreichbar sein. So gewinnen neben Arbeitsplatz und -umgebung die Lage und die Verkehrsanbindung an Bedeutung, was die Nachfrage nach hochwertigen Räumlichkeiten in Zentrumslagen stärkt. Zudem wird die Umgestaltung der Büros durch neue Raumkonzepte im Fokus stehen. Und auch Desk-Sharing ist da sicher ein Thema.

Wird die Nachfrage nach Büroflächen aufgrund von Homeoffice und Desk-Sharing-Konzepten nicht zurückgehen? 

Das Nachfragewachstum, das wir infolge des positiven Beschäftigungswachstums und der anhaltend positiven Aussichten in den klassischen Bürobranchen zu erwarten haben, könnte damit schon etwas ausgebremst werden. Grundsätzlich behält das Büro aber einen hohen Stellenwert für die Unternehmenskultur sowie als Ort des Austauschs und für Kreativprozesse. Die in manch einem Unternehmen anstehende oder auch schon laufende Umstrukturierung des Büros bringt neue Nutzungskonzepte und damit verbunden auch neue Flächenansprüche hervor, die eine Kompensation des tendenziell sinkenden Flächenbedürfnisses durch Homeoffice und Desk-Sharing begünstigen.

Was für Folgen hat der Durchbruch von Homeoffice auf dem Wohnmarkt?

Mit dem zwei Jahre dauernden Homeoffice in der Pandemie haben sich die Wohnbedürfnisse und die Ansprüche an das eigene zu Hause bei vielen Menschen verändert. Zentral dabei ist: Mehr Wohnraum für mehr Wohnqualität. Dies löste einen Anstieg der Nachfrage nach Grosswohnungen mit 4,5 Zimmern und mehr aus, während 1- bis 2,5-Zimmer-Wohnungen vielerorts immer häufiger leer blieben. 

Ines von der Ohe leitet bei der CSL Immobilien AG den Bereich Research & Marktanalyse und ist verantwortlich für die CSL-Marktberichte. Von der Ohe verfügt über eine langjährige Erfahrung in der Immobilienmarktanalyse.

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