Bislang werden fast ausschliessend die Namen männlicher Kandidaten gehandelt. Dabei hat sich die EU auf die Fahnen geschrieben, den Anteil von Frauen in den Top-Positionen der europäischen Institutionen zu erhöhen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) gilt nach wie vor als eine der am stärksten männlich dominierten Einrichtungen in Europa. Im 25-köpfigen EZB-Rat, der über die Zinsen entscheidet, sitzen gerade einmal zwei Frauen. Unter den 19 nationalen Notenbanken wird aktuell lediglich die irische Zentralbank von einer Frau geführt - und dies auch nur interimsmäßig bis Ende August.
Draghi scheidet Ende Oktober aus dem Amt. Volkswirte und Europa-Experten nennen eine Reihe von Frauen, die es aus ihrer Sicht auf die Top-Position bei der Euro-Notenbank schaffen könnten:
Christine Lagarde (63)
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und frühere französische Finanzministerin besitzt starke Führungsqualitäten. Sie ist jedoch keine Volkswirtin und besitzt auch keine Erfahrung in der Banken-Branche oder in der Notenbank-Welt, was aber die Statuten verlangen. Sie wäre daher auf ein Fürwort von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angewiesen. Macron müsste dann zudem auf wahrscheinlichere französische Kandidaten, wie etwa Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau, verzichten.
Sylvie Goulard (55)
Die polyglotte stellvertretende Notenbank-Gouverneurin Frankreichs verfügt über solide Kenntnisse in der Bankenaufsicht. Sie gilt zudem als starke Europa-Befürworterin. In der Öffentlichkeit ist sie aber zuletzt kaum in Erscheinung getreten, auch besitzt sie keine große Führungserfahrung. Zudem müsste Macron dann seinen Favoriten de Galhau sowie EZB-Direktor Benoit Coeure übergehen.
Elke König (64)
Die frühere Chefin der deutschen Finanzaufsicht Bafin leitet derzeit die europäische Behörde zur Abwicklung maroder Banken, das sogenannte Single Resolution Board (SRB), das in Brüssel sitzt. König leitet zwar eine wichtige europäische Institution. Ihr Aufgabenspektrum lag aber bislang sehr stark in der Bankenaufsicht und nicht in der Geldpolitik.
Claudia Buch (53)
Die renommierte Ökonomin ist Vize-Präsidentin der deutschen Bundesbank. Ihre Ernennung wäre allerdings heikel. Denn dies hieße, Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bei der Auswahl zu überspringen. Die frühere Präsidentin des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, die auch im Sachsverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung saß, hat sich zuletzt in der Öffentlichkeit kaum zu aktuellen geldpolitischen Themen geäußert. Dieses Feld wurde bei der Bundesbank bislang vor allem Weidmann überlassen.
Sharon Donnery (46)
Die Expertin für Bankenaufsicht leitet bis Ende August interimsmäßig Irlands Notenbank. Erfahrung in der Geldpolitik besitzt sie bislang nur wenig. Zudem sitzt bereits mit dem neuen Chefvolkswirt Philip Lane ein Ire im sechsköpfigen Führungsgremium der EZB. Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass ein Land keine zwei Mitglieder in dem Gremium stellt.
Isabel Schnabel (48)
Die deutsche Professorin für Finanzökonomie ist Mitglied im Sachverständigenrat und gilt als Expertin in der Geldpolitik. Sie besitzt allerdings keine Erfahrung in der Führung einer großen Institution.
Elisa Ferreira (63)
Die frühere Politikerin ist Vize-Gouverneurin der portugiesischen Zentralbank. Von 2004 bis 2016 war sie Abgeordnete für die Sozialistische Partei des Landes im EU- Parlament. Sie besitzt relativ wenig Erfahrungen in der Finanzbranche.
Margarita Delgado (56)
Die stellvertretende Notenbank-Chefin Spaniens ist von der Ausbildung her Ökonomin. Sie gilt als Expertin in der Bankenaufsicht. Da mit EZB-Vize Luis de Guindos aber bereits ein Spanier im EZB-Direktorium sitzt, gilt ihre Ernennung als sehr unwahrscheinlich.
Marja Nykänen (57)
Die Vize-Gouverneurin der finnischen Notenbank besitzt keine große Erfahrung in der Geldpolitik. Die Nummer eins der finnischen Notenbank, Olli Rehn, und der früherer Notenbank-Gouverneur Erkki Liikanen gelten als wahrscheinlichere finnische Kandidaten.
Else Bos (60)
Die Leiterin der Finanzaufsicht über Versicherer bei der niederländischen Notenbank ist erst vor einem Jahr zur Zentralbank gewechselt. Sie besitzt wenig Erfahrung in der Geldpolitik. Ihr Chef, Klaas Knot, wird eher als möglicher niederländische Kandidat gehandelt.
(Reuters)