"Eine Rezession steht bevor und geopolitische Bedenken sind unkontrollierbar", schreibt Belaisch, geschäftsführende Direktorin und Chefstrategin Europa beim Investment Institute der Londoner Privatbank Barings, in einem Marktkommentar. Die Wahrscheinlichkeit sei gross, dass im nächsten Jahr steigende Zinsen, Inflation und Rezession zusammenfallen würden.
Diese Woche wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen allen Prognosen zufolge anheben. Die Diskussion unter Experten ist, ob ein Schritt von 50 oder 75 Basispunkten vollzogen wird. Belaisch geht davon aus, dass es zum "Jumbo-Zinsschritt" von 75 Punkten kommen wird.
Die EZB wird die Nachfrage senken, indem sie mit den Zinserhöhungen die Kredite verteuert. An sich ist dies widersinnig, denn gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten für ganz normale Menschen und wachsen die ökonomischen Krisenanzeichen. Leider, so Belaisch, könne die EZB die Ursache der Krise nicht bekämpfen: Energie wird knapp.
Die Währungshüter würden die Eurozone unmittelbar nicht aus der schwierigen Lage bringen: "Diese grosse Zinserhöhung wird nichts zur Rettung des Euro beitragen." Belaisch äussert eine weitere Warnung: "Die Geldpolitik wirkt mit Verzögerung, und die Weitergabe höherer Energiekosten an die Preise für alles wird die Inflation anhalten lassen." Auch wenn verschiedene Länder nun Deckel für die Gas- und Strompreise einführen werden - diese müssten später ausgeglichen werden, um die Lieferanten für den Verlust zu entschädigen. Weiter schreibt Belaisch: "Die Inflation wird fortbestehen, während die Wirtschaftstätigkeit zusammengebrochen ist. Die EZB wird 2023 nicht aufhören, die Zinsen zu erhöhen."
Diese Ära der "Inflession" – Inflation und Rezession – könne kurz sein. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage, der noch nie so präzise gewesen sei, werde allerdings Überkapazitäten schaffen.
Einen Vorteil sieht Belaisch in der heutigen Krise: Der Klimaschutz werde stärker. Grüne Energiequellen würden fossile Brennstoffe wohl nie ganz ersetzen, deswegen sei eine Senkung des Verbrauchs ein Vorteil. "In 10 Jahren werden wir wissen, ob diese Krise ein Wendepunkt war, der in die Geschichtsbücher eingeht. Kurzfristig ist es besser, sich anzuschnallen", so die Strategin.