Während rund zehn Stunden über drei Tage verteilt diskutierte der Nationalrat teilweise emotional über das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Um die an der Urne beschlossene Energiewende zu schaffen, sollen im Energie-, im Stromversorgungs- und im Raumplanungsgesetz zahlreiche Massnahmen verankert werden.

In der Gesamtabstimmung am Mittwoch nahm die grosse Kammer die 141 Seiten umfassende Gesetzesvorlage mit 104 zu 54 Stimmen bei 33 Enthaltungen an. Die SVP war dagegen, die Grünen enthielten sich der Stimme. SP, Mitte, FDP und GLP gaben dem Energie-Mantelerlass grossmehrheitlich grünes Licht.

Dieses Resultat widerspiegelt, dass die Diskussionen auf einem mehrheitsfähigen Weg sind, aber noch einiges getan werden muss, um einen Absturz der Vorlage im Parlament oder an der Urne zu verhindern.

Rote Linie überschritten

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (Urek-N) hatte im Vorfeld einen Kompromiss zwischen Wirtschaft und Umweltschützern erarbeitet. Die grosse Kammer folgte in weiten Teilen deren Vorschlägen. Nur selten setzten sich Anträge einer Kommissionsminderheit oder Einzelanträge im Plenum durch. Diese Ausnahmen brachten aber kritische Reaktionen aus verschiedenen politischen Ecken mit sich.

Für die Ratslinke ist mit der Sistierung der Restwasservorschriften bei der Neukonzessionierung von Wasserkraftwerken eine rote Linie überschritten. Der entsprechende Antrag fand mit 95 zu 94 Stimmen bei einer Enthaltung eine hauchdünne Mehrheit. Nadine Masshardt (SP/BE) sprach von einem "unnötigen Angriff auf den Gewässerschutz und die Biodiversität". Die Befürworter hielten entgegen, dass mit den geltenden Restwasservorschriften die neu im Gesetz verankerten Ausbauziele nicht erreichbar seien.

Der Nationalrat fällte aber auch Entscheide im Sinne des Umweltschutzes. So sollen etwa Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten weiterhin ausgeschlossen sein. Die grosse Kammer korrigierte damit einen Entscheid des Ständerats.

Für SVP ist Solarpflicht "Mist"

Weitgehende Einigkeit herrscht dagegen bei den Effizienzmassnahmen im Gebäudebereich. Zahlreiche von SP, Grünen und GLP befürwortete Anträge - etwa die obligatorische Sanierung von Elektroheizungen oder das Verbot von Elektroboilern - wurden wie im Ständerat abgelehnt.

Eine Ausnahme bildet die Solarpflicht. Laut dem Nationalrat müssen bei Neubauten und erheblichen Um- und Erneuerungsbauten insbesondere bei Sanierung des Dachs Solarpanels installiert werden. Mike Egger (SVP/SG) drohte im Namen seiner Fraktion unmissverständlich mit dem Referendum gegen die Vorlage, sollte das Parlament "diesem Mist" zustimmen.

15 Wasserkraftprojekte prioritär

Den grössten Anteil am Ausbau der einheimischen Energien soll gemäss Beschluss des Parlaments die Wasserkraft haben. Wie der Ständerat stellt auch der Nationalrat die Umsetzung der 15 vom Runden Tisch priorisierten Wasserkraftprojekte ins Zentrum. Das Ziel ist es, die Versorgungssicherheit im Winter zu erhöhen.

Damit die Projekte so schnell wie möglich umgesetzt werden können, sollen die Verfahren beschleunigt werden. Eine Planungspflicht soll nur für Vorhaben an einem neuen Standort gelten, und auch dann beschränkt sich diese Pflicht auf den Richtplan. Das Interesse an einer Realisierung geht anderen Interessen von nationaler Bedeutung grundsätzlich vor.

Die Umweltverbände sind auch deshalb damit einverstanden, weil eine Interessenabwägung möglich bleibt. Auch sollen zusätzliche Ausgleichsmassnahmen zum Schutz von Landschaft und Biodiversität vorgesehen werden.

"Keinen Plan B"

Der Nationalrat lehnte es ab, dass auch bei Solar- und Windenergieanlagen im nationalen Interesse Bedarf, Standortgebundenheit und überwiegendes Interesse bejaht werden sollen. Energieminister Albert Rösti bezeichnete diesen Entscheid neben jenen zu den Restwasserregeln und zur Solarpflicht als mangelhaft. Diese Punkte müssten noch mal angeschaut werden.

Die Vorlage geht nun zur Bereinigung der zahlreichen Differenzen zurück an den Ständerat. Rösti appellierte am Ende der Marathondebatte an die Parlamentsmitglieder, in den kommenden Monaten eine mehrheitsfähige Lösung zu erarbeiten. "Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte."

(AWP)