Mit ihrer Ankündigung von letzter Woche, den Leitzins im Juli anzuheben, hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Türe für die erste Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) seit September 2007 weit aufgestossen. Einzelne Ökonomen rechnen bereits am Donnerstag mit einem ersten Zinsschritt der Schweizer Währungshüter um SNB-Präsident Thomas Jordan. Spätestens im März kommenden Jahres dürfte dann die Ära der Negativzinsen in der Schweiz enden, erwartet eine Mehrheit von Wirtschaftsexperten. Mit minus 0,75 Prozent hat die Schweiz den weltweit niedrigsten Leitzins.

Der Druck auf das dreiköpfige SNB-Direktorium, sich der steigenden Inflation in der Schweiz entgegenzustemmen und nach mehr als sieben Jahren Negativzinsen und geldpolitischem Beharren einen Kurswechsel vorzunehmen, nimmt jedenfalls zu.

Zwar ist die Teuerung in der Schweiz mit 2,9 Prozent im Jahresabstand im Mai im Vergleich zu mehr als acht Prozent in den USA und der Euro-Zone weiterhin moderat. Die Verbraucherpreise stiegen damit allerdings so stark wie seit fast 14 Jahren nicht mehr - und sie ziehen seit einigen mehreren Monaten stärker an als von der Notenbank angepeilt, die zwischen null und zwei Prozent anstrebt. Die SNB-Spitze thematisierte die Inflation zuletzt wiederholt und betonte, sie werde bei anhaltend hoher Teuerung nicht zögern, die geldpolitischen Zügel anzuziehen.

SNB im Dilemma

SNB-Chef Thomas Jordan und seine Direktoriumskollegen stecken allerdings in einem Dilemma. Ihr Auftrag ist Preisstabilität, doch sie dürfen auch den Wechselkurs nicht ausser Acht lassen. Denn ein starker Franken macht Schweizer Waren im Ausland teurer und damit weniger konkurrenzfähig.

Um der exportabhängigen Wirtschaft des Landes unter die Arme zu greifen, versucht die Notenbank, die vor allem in Krisenzeiten als sicherer Hafen gefragte Landeswährung weniger attraktiv zu machen. Seit Anfang 2015 stemmt sie sich deshalb mit Negativzinsen und Fremdwährungskäufen gegen eine Franken-Aufwertung. Sollte sich jedoch der Zinsabstand zur Euro-Zone verringern, könnte das den Wechselkurs zur Haupt-Exportwährung Euro hochtreiben.

Nicht vor der EZB

Die Schweizer Wirtschaft stehe gut da und die Arbeitslosigkeit sei niedrig, so dass das Land höhere Zinsen verkraften könne, erklärte Karsten Junius, Ökonom bei der Bank J.Safra Sarasin. "Es gibt also keinen Grund für die Schweizerische Nationalbank, noch länger zu warten."

Junius und Experten der Citigroup erwarten, dass die Schweizer Währungshüter bei ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung am Donnerstag vorpreschen werden. David Oxley, Wirtschaftsexperte von Capital Economics, rechnet mit einer ausserplanmässigen Zinserhöhung im Juli direkt im Anschluss an den Zinsschritt der EZB.

Die grosse Mehrheit der insgesamt 26 befragten Wirtschaftsexperten geht davon aus, dass die SNB nicht vor der EZB an der Zinsschraube drehen und am Modus der vierteljährlichen Zinsentscheidungen festhalten wird. Sie erwarten eine erste Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte im September.

"Wir gehen davon aus, dass die SNB ihre vier regulären jährlichen Zinstreffen nutzen wird, um den Leitzins anzuheben" sagte Jörg Angele, Ökonom bei Bantleon. "Angesichts des verglichen mit der Euro-Zone moderaten Inflationsanstiegs ist sie nicht zu Anhebungen ausser der Reihe gezwungen."

Für Spannung am Donnerstag dürfte also gesorgt sein - anders als in den letzten Jahren, als Ökonomen meist einhellig davon ausgingen, dass die SNB alles beim Alten belassen wird.

Dass die Notenbank für Überraschungen gut ist, hat schon einmal eindrucksvoll bewiesen: Im Januar 2015 kippte sie ohne Vorwarnung die Kursuntergrenze von 1,20 Franken je Euro, die sie zuvor mehr als drei Jahre lang mit Hunderten von Milliarden Franken schweren Interventionen verteidigt hatte, und sorgte damit weltweit für Turbulenzen an den Finanzmärkten. 

(Reuters/cash)