"Ich bin überzeugt, dass die neue Regierung unser Land politisch, diplomatisch und sympathisch vertreten wird", sagte Van der Bellen. Bierlein betonte bei ihrer ersten Rede, dass sie sich der grossen Verantwortung des Amtes bewusst sei und dieses "mit Demut" annehme.
Bierlein und ihre elf Minister sollen die Geschäfte des Landes bis zu den Neuwahlen im September und den anschliessenden Verhandlungen für eine neue Koalition führen. Ex-Kanzler Sebastian Kurz hatte diese nach der Veröffentlichung des Skandal-Videos von Ibiza ausgerufen. Auf dem Video, heimlich aufgenommen im Sommer 2017, ist der spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) im Gespräch über mögliche politische Einflussnahme mit einer Vermeintlichen russischen Investorin zu sehen. Strache trat zurück, die gesamte Regierung zerbrach und eine Mehrheit von rechter FPÖ und sozialdemokratischer SPÖ drängte auch Kurz und alle seine Minister aus den Ämtern.
Van der Bellen entschied sich daraufhin, Bierlein zur Chefin einer Expertenregierung für den Übergang zu machen. Die 69-Jährige versicherte den Bürgern am Montag, dass die Stabilität des Staates nicht in Gefahr sei. "Ich möchte ihnen, geschätzte Bürgerinnen und Bürger, versichern, dass ihnen alle Dienstleistungen des Staates zur Verfügung stehen werden", sagte Bierlein. Österreich sei ein Land mit "einem stabilen Rechtsstaat, einer hervorragenden Bundesverfassung, starken Institutionen und grossartigen Beamten".
Die neue Regierung besteht aus Fachleuten; viele der Minister waren zuletzt in leitenden Positionen in den jeweiligen Ressorts tätig. "Sie alle eint ihre unbestrittene Expertise und der treue, lange Dienst im Interesse der Republik", sagte Bierlein. Neuer Vizekanzler und Justizminister ist der langjährige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner. Dem Vernehmen nach besonders lange verhandelt wurde über das Amt des Innenministers. Dieses übernimmt Wolfgang Peschorn, bisher oberster Rechtsvertreter des Staates.
Neuer Verkehrsminister wird Andreas Reichhardt, der Mitglied einer Burschenschaft ist und laut österreichischen Medien in seiner Jugend mit Strache an einer rechtsextremen Wehrsportübung teilgenommen haben soll.
In der neuen Bundesregierung herrscht eine Parität von Frauen und Männern. "Da kann niemand mehr sagen, das geht leider nicht", sagte dazu Van der Bellen. Kanzlerin Bierlein kommentierte die Aufstellung nicht, rief aber am Ende ihrer Rede die Jugend und vor allem die jungen Frauen in Österreich zu Engagement auf: "Unser Land, unsere Demokratie braucht sie alle, ihre gestalterische Kraft und ihren Glauben an Österreich. Ihr Engagement ist unersetzlich für das Wohl unserer Republik und ganz Europas."/nif/DP/mis
(AWP)