Esther Friedli 70'449 erhielt Stimmen. Ihre Konkurrentin, Barbara Gysi von der SP, konnte nur zwei Gemeinden - Rorschach und St. Gallen - für sich entscheiden und kam auf 45'293 Stimmen. Die Stimmbeteiligung lag bei 39 Prozent.

Das Resultat sei für das soziale und ökologische St. Gallen enttäuschend, sagte Gysi nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Auffällig sei im Wahlkampf die Abwesenheit von Themen gewesen. Sie sei "einem konsolidierten Block" von SVP, FDP und Mitte gegenübergestanden, bei dem die Reihen geschlossen waren. Davon abweichende Meinungen seien nicht öffentlich geäussert worden.

Esther Friedli verwies als Grund für den grossen Vorsprung auf die breite Unterstützung aus dem bäuerlichen Lager, sowie von Gastro und Gewerbe. Sie habe für den zweiten Wahlgang nochmals Vollgas gegeben. Bis zuletzt seien grosse Anlässe organisiert worden. Sie wolle nun auch denjenigen, die sie nicht gewählt hätten, "die Hand ausstrecken", sagte sie.

Mit diesem Ergebnis hatte es die einzige grosse Überraschung bei diesen Ersatzwahlen bereits beim ersten Wahlgang am 12. März gegeben. Es war der überaus deutliche Vorsprung von Esther Friedli auf ihre drei Konkurrentinnen von FDP, SP und den Grünen, der einer Vorentscheidung gleichkam.

Danach lichtete sich das Feld: Zuerst zog sich Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen, aus dem Rennen zurück. Es folgte FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher, die nur nochmals angetreten wäre, wenn die SP verzichtet hätte.

Keine bürgerliche Unterstützung

Übrig blieb SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Sie versuchte im zweiten Wahlgang das Anti-SVP-Lager im Kanton zu mobilisieren und baute auf die Wählerinnen und Wähler in den Städten, die nach dem Rücktritt von Paul Rechsteiner weiterhin eine Vertretung für eine soziale Politik nach Bern schicken wollten.

Die Zeit bis zum zweiten Wahlgang verlief ohne grössere Aufregungen. Friedli vermied an den Wahlveranstaltungen kontroverse Aussagen und liess sich von der Kritik, sie sei eine SVP-Hardlinerin, nicht beeindrucken.

Bei dieser Ausgangslage war klar, dass Barbara Gysi nur eine Chance haben würde, wenn sie von zahlreichen bürgerliche Stimmen auch auf dem Land unterstützt würde. Zu klein ist im konservativen Kanton St. Gallen die links-grüne Basis.

Diese Bewegung fand nicht statt. Damit war Esther Friedli nicht mehr zu stoppen. Sie wurde mit einem Vorsprung von 25'156 Stimmen in den Ständerat gewählt.

Im vierten Anlauf

Nach den vergeblichen Anläufen von Toni Brunner (2011), Thomas Müller (2015) und Roland Rino Büchel (2019) ist es damit der SVP im vierten Anlauf gelungen, einen der beiden St. Galler Sitze im Ständerat zu erobern. Vor den drei Legislaturen mit Paul Rechsteiner waren diese Sitze jeweils von Mitte und FDP abonniert gewesen.

Bereits klar ist, wer Friedlis Sitz im Nationalrat übernehmen wird. Nachrutschen wird der Tübacher Gemeindepräsident und SVP-Kantonsrat Michael Götte.

Zumindest bis zu den Erneuerungswahlen im Herbst 2023 wird nun der Kanton St. Gallen im Ständerat von Esther Friedli (SVP) und Beni Würth (Mitte) vertreten.

(AWP)