Anfang dieses Jahres befürchteten Schweizer Stahlproduzenten, dass die von der EU der Schweiz gewährten Spezialkontingente bald ausgeschöpft sind. Für sieben für die Stahlindustrie wichtige Produktegruppen hatte die Schweiz so genannte länderspezifische Kontingente erhalten, die auf einem Durchschnitt der Einfuhren in den Jahren 2015 bis 2017 beruhten.
Dazu gehört etwa Walzdraht, der in der Automobilindustrie gebraucht wird, aber auch Stabstahl, der sowohl in der Automobilindustrie wie auch auf dem Bau verwendet wird.
Für alle restlichen Produktegruppen gelten globale Restkontingente, die sich alle in die EU importierenden Ländern teilen müssen. Wird ein Kontingent - gleichgültig ob Spezial- oder ein Restkontingent - ausgeschöpft, wird ein zusätzlicher Einfuhrzoll von 25 Prozent auf dieses Stahlprodukt erhoben.
"Da die Stahlindustrien in der Schweiz und in der EU sehr eng miteinander verflochten sind", seien die Schutzmassnahmen der EU sowohl für Schweizer Exporteure wie auch für ihre EU-Kunden problematisch, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Bern.
Kontingente genügen zurzeit
Nun zeigt sich: Wider Erwarten scheinen die Stahlkontingente auszureichen. "Die aktuelle Ausschöpfung der Zollkontingente deutet darauf hin, dass zurzeit genügend Kontingentsmengen für Importe aus der Schweiz in die EU zur Verfügung stehen", schreibt das Seco auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Gemäss den Rückmeldungen der im Stahlsektor tätigen Schweizer Unternehmen sei das sich abschwächende Wirtschaftswachstum der Grund dafür. Die Nachfrage sei zurückgegangen, was "einen Rückgang der Exporte von Stahlprodukten in die EU" bewirke, schreibt das Seco weiter.
Trotzdem ist es für eine Entwarnung noch zu früh: Denn die Kontingentsperiode für die Restkontingente läuft noch bis Ende 2019 und jene speziell für die Schweiz gilt gar noch bis Mitte 2021.
Neue EU-Anpassungen
Daher wird die Schweiz beim Treffen des "Gemischen Ausschusses" zum Freihandelsabkommen Schweiz-EU am Donnerstag in Brüssel das Thema erneut ansprechen. Man fordere weiterhin, "dass die Schutzmassnahmen so ausgestaltet werden, dass sie den Handel zwischen der Schweiz und der EU so wenig wie möglich einschränken", heisst es beim Seco.
Denn in der Zwischenzeit hat die EU Anpassungen vorgenommen, die die Schweiz nicht goutiert. Ursprünglich wollte die EU die von ihr festlegten Kontingentsmengen jedes Jahr um fünf Prozent erhöhen, um dem erwarteten Wirtschaftswachstum gerecht zu werden.
Nun aber hat Brüssel die fünf Prozent auf drei korrigiert. Diese Anpassung ist bereits am 1. Oktober in Kraft getreten. Die Schweiz fordert, dass die ursprüngliche Erhöhung der Kontingentsmengen von fünf Prozent pro Jahr beibehalten wird, wie das Seco schreibt.
Auslöser Trump
Dieser Stahlstreit zwischen der Schweiz und der EU ist die Folge einer Entscheidung von US-Präsident Donald Trump. Dieser hatte im März 2018 Strafzölle auf Stahl angekündigt. Daraufhin beschloss die EU am 19. Juli 2018 Schutzmassnahmen einzuführen - ebenfalls in Form von Zöllen.
Damit will sie die heimische Stahlbranche vor Billigimporten schützen. Denn Länder wie China, die aufgrund der US-Strafzölle nicht mehr so einfach in die USA exportieren können, lieferten ihren Billigstahl vermehrt nach Europa.
Die eingeführten Schutzzölle der EU treffen jedoch nicht nur Länder wie China, sondern alle Drittstaaten - auch die Schweiz. Die EU argumentierte mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO, nach denen alle Drittstaaten gleich behandelt werden müssen.
(AWP)