Die Karlsruher Richter hatten im Mai 2020 die billionenschweren Aufkäufe von Staatsanleihen der Euro-Länder durch die EZB als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Damit hatten sie sich gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gestellt, der Ende 2018 entschieden hatte, dass die Käufe nicht gegen das EU-Recht verstossen. Im Kern geht es bei dem Konflikt um den Vorrang des Europarechts.

Deutschland habe gegen die Grundsätze der Autonomie, des Vorrangs, der Wirksamkeit und der einheitlichen Anwendung des EU-Rechts verstossen, erklärte die Kommission. "Nach Ansicht der Kommission stellt das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts einen ernstzunehmenden Präzedenzfall sowohl für die künftige Praxis des Gerichts selbst als auch für die Verfassungsgerichte anderer Mitgliedstaaten dar", so die Brüsseler Behörde.

Die Kommission befürchtet, dass die Integrität des EU-Rechts und letztlich auch die europäische Integration beeinträchtigt wird, besonders in Ländern, wo sie bereits ohnehin eine Schwächung des Rechtsstaatsprinzip bemängelt. Sie ist in diesem Zusammenhang etwa schon seit längerem über die Entwicklung in Polen und in Ungarn besorgt.

Konflikt nicht beigelegt

Mit dem nun beginnenden Auskunftsersuchen muss sich Deutschland zunächst innerhalb einer Frist von zwei Monaten äussern. Kann der Streit nicht gelöst werden, könnte er schliesslich vor dem EuGH landen, der eine Geldstrafe gegen Deutschland verhängen kann.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 in seinem Urteil gefordert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Verhältnismässigkeit der Staatsanleihenkäufe nachweisen müsse. Ansonsten sei es der Bundesbank untersagt, an dem billionenschweren, "PSPP" genannten Anleihenkaufprogramm teilzunehmen.

(AWP)