Ein Banker, der seinen Job im Rahmen der Stellenstreichungen bei Nomura Holdings Inc. verloren hat, erinnert sich an das Gemeinschaftsgefühl in der Oyster Shed Bar neben der London-Zentrale der japanischen Bank, als der Raum voll mit Ex-Mitarbeitern war. Japans grösster Broker entliess an diesem Tag im April etwa 30 Mitarbeiter.

Mittlerweile ist der Sommer in London da, aber im Finanzsektor dürfte vielen das Lachen vergangen sein. HSBC Holdings Plc und Deutsche Bank AG folgen dem Beispiel von Nomura und streichen Tausende von Stellen. So düster war die Atmosphäre wohl seit der Finanzkrise nicht mehr. Einige nehmen den Hut, bevor sie gefeuert werden.

“Es ist einer der schlimmsten Londoner Jobmärkte, die ich je ausserhalb einer Krise gesehen habe”, sagte Stephane Rambosson, Gründer von Vici Advisory, einer in London ansässigen Personalberatung. “Ich denke, es besteht die reale Möglichkeit, dass bis Ende des Jahres mehr als 5.000 Arbeitsplätze verloren gehen.”

US-amerikanische Banken weniger betroffen

Die Kürzungen konzentrieren sich auf nicht US-amerikanische Investmentbanken. Europäische Kreditinstitute, die durch ein schwaches Wachstum im Heimatmarkt und negative Zinssätze beeinträchtigt sind, verlieren seit Jahren Marktanteile. Erfahrene Banker haben schon vorher Kontraktionen gesehen, aber dieses Mal ist es anders. Es sind nicht nur wackelige Märkte, Handelsspannungen und der Brexit: Die Automatisierung macht einige Banker-Fähigkeiten überflüssig.

Das Ausmass der Arbeitsplatzverluste und Veränderungen in der Branche zwingen Beschäftigte im Finanzsektor, alle möglichen Alternativen zu prüfen. Der ehemalige Nomura-Mitarbeiter erzählte von deprimierten Kollegen, die in die Bereiche Blockchain, Cannabis und sogar Landwirtschaft wechseln.

Bei vielen Menschen kommt Verzweiflung auf

„Die Leute sind gestresst. Verzweifelt suchen sie nach neuen Dingen, weil sie wissen, dass es nicht einfach sein wird, einen Job bei einer anderen Bank zu finden”, sagte Rambosson, selbst ein ehemaliger Investmentbanker. “Wir sehen, wie die Leute vor Entlassungen kündigen und sagen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, um auszusteigen.”

Laut Daten von Coalition Development Ltd. ist seit 2013 ein stetiger Rückgang der Beschäftigung bei den Investmentbanken zu verzeichnen. Seinerzeit waren in Grossbritannien knapp 17.000 Mitarbeiter in Front-Office-Positionen beschäftigt. Bis 2016 ist die Zahl bereits auf 15.000 gesunken. Bis Ende letzten Jahres waren fast 1.500 weitere Stellen gestrichen worden. Das ist ein schnelleres Tempo als der gesamte Verlust von Arbeitsplätzen in der Branche. Daten von Coalition zeigen einen Rückgang von 6.600 Front-Office-Funktionen weltweit seit 2013 auf 51.800.

“Es wird noch schlimmer”, sagte Amrit Shahani von Coalition. “Wir gehen davon aus, dass der Personalbestand der Investmentbanken in Grossbritannien in den nächsten zwei Jahren um weitere 10% sinken wird, was teilweise auf die Stellenverlagerungen aufgrund des Brexit zurückzuführen ist.”

“In diesem Jahr wird der Personalstand doppelt so stark sinken wie in den Vorjahren wegen Ertragsrückgängen bei den Investmentbanken”, sagte Shahani.

Zahl neuer Finanzdienstleistungsjobs halbiert

Zahlen des Personalberaters Morgan McKinley zeigen das Ausmass der Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt in der City. Im Mai gab es 2.369 neue Finanzdienstleistungsjobs, ein Rückgang von 50% gegenüber dem Vorjahr, obwohl die Zahl der Arbeitsuchenden stabil bei knapp 4.000 blieb.

Brexit-bedingte Verlagerungen tragen zur Misere bei. Die von der Beratungsfirma EY in diesem Monat veröffentlichten Zahlen beziffern geplante Verlagerungen in andere EU-Länder auf 7.000, von denen bereits fast 1.000 stattgefunden haben.

Für die 9.000 britischen Mitarbeiter der Deutschen Bank erscheinen die Umstrukturierungsrunden endlos. Am Freitag sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen, dass die Bank Vorbereitungen treffe, bis zu 50% der Arbeitsplätze in ihrer globalen Aktiensparte abzubauen. Sogar Garth Ritchie - der die Investmentbank in London leitet - könnte bald im Rahmen einer Schrumpfkur ersetzt werden, bei der weltweit bis zu 20.000 Arbeitsplätze abgebaut werden könnten, sagten die Personen.

Bei HSBC könnten mindestens 500 Arbeitsplätze im globalen Bank- und Marktumfeld wegfallen, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen im Mai, wobei London wahrscheinlich am stärksten betroffen sein dürfte.

Nomura kündigte im April Kostensenkungen in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar im Grosskundengeschäft an. Die Stimmung bei Nomura sei weiterhin schlecht, sagt ein Banker. Viele, die noch auf der Gehaltsliste stehen, schauen sich nach einem neuen Job um, allerdings sei der Londoner Stellenmarkt so schwach, dass bisher nur wenige gegangen sind.

(Bloomberg)