Eine Entscheidung über eine mögliche Änderung des Inflationsziels könnte bereits im Sommer fallen, wie von Euroraum-Vertretern zu erfahren ist. Die Vertreter, die angesichts der Vertraulichkeit des Vorgangs um Anonymität baten, sprachen von einer hastigen Agenda unter Präsidentin Christine Lagarde, die am Wochenende den 100. Tag im Amt war. Mitarbeiter hätten mit der Arbeit bereits begonnen, obwohl einige Arbeitsgruppen noch keine offizielle Genehmigung durch den EZB-Rat erhalten haben.

Der aggressive Start der ersten Überprüfung durch die EZB seit 2003 steht in Zusammenhang mit der wachsenden Besorgnis einiger geldpolitischer Entscheidungsträger bezüglich der Glaubwürdigkeit der Institution. Obwohl jahrelang umstrittene Maßnahmen wie Negativzinsen und Anleihekäufen durchgeführt wurden, ist es bisher nicht gelungen, die Preissteigerungsrate wieder auf das Ziel von knapp 2% zurückzuführen.

Mit der Neubeurteilung sind acht Studiengruppen beschäftigt und decken Themen ab, die vom Kernthema Inflation bis zu modernen Herausforderungen wie Klimawandel und Handel reichen, berichteten die informierten Personen. Die EZB-Ratsmitglieder werden unmittelbar vor ihren nächsten beiden geldpolitischen Sitzungen im März und April an Seminaren zu bestimmten Themen teilnehmen, sagte eine der Personen.

Führungsstil wie beim Internationalen Währungsfonds

Vorschläge, ob das aktuelle Inflationsziel geändert werden solle, könnten dann auf der folgenden Sitzung im Juni unterbreitet und eine Entscheidung im Juli getroffen werden, sagte die Person.

Zwar sei nichts sicher, aber viele geldpolitische Entscheidungsträger wollen eine Entscheidung über das Inflationsziel bis zum Sommer, sagten die Euroraum-Vertreter. Der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir sagte letzten Monat, dass es “große Ambitionen” gebe, bis Ende Juni eine Einigung über das Inflationsziel zu erreichen. Bezüglich der gesamten Überprüfung hat Lagarde signalisiert, dass die Ergebnisse um den Dezember herum bekannt gegeben werden könnten.

Die von ihr versprochenen externen Veranstaltungen, um der Öffentlichkeit Gehör zu schenken und sie mit einzubinden, könnten auf einige Monate beschränkt werden. Sie könnten von März, wenn die erste derartige Veranstaltung in Brüssel stattfindet, bis Mai gehen. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.

Der enge Zeitplan erinnert an Lagardes Führungsstil in ihrer vorherigen Tätigkeit als Chefin des Internationalen Währungsfonds. Sie beginnt Sitzungen einige Stunden früher als ihr Vorgänger Mario Draghi, hält Präsentationen kurz und lehnt die Verwendung von Telefonen in Sitzungen ab.

Die strategische Überprüfung ist auch eine Gelegenheit, die Spaltungen unter den geldpolitischen Entscheidungsträgern, die sich unter Draghi gebildet haben, zu überwinden. Die Präsidentin versucht, ihre Kollegen auf ein gemeinsames Anliegen zusammenzuschweißen, nämlich sicherzustellen, dass die EZB ihr oberstes Mandat der Preisstabilität erfüllt.

(Bloomberg)