Angeführt von der italienischen UniCredit hat die Branche die Rückstellungen für gefährdete Kredite so stark aufgestockt wie seit über einem Jahr nicht mehr. Zusammen mit Handelsverlusten, Abschreibungen und den Aufwendungen für den Rückzug hat die Krise die europäischen Banken bisher etwa 6,6 Milliarden Euro gekostet - und es könnte noch mehr werden.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges sind in Gestalt explodierender Rohstoffpreise und unterbrochener Lieferketten bereits weltweit spürbar. Nachdem sie jahrelang vom rasanten Wachstum in Russland profitiert haben, fragen sich die europäischen Banken nun, ob es sich noch lohnt, in dem am stärksten sanktionierten Land der Welt Geschäfte zu machen. Gleichzeitig sind sie sich uneins darüber, wie groß der Schaden für die Wirtschaft sein wird, was bedeutet, dass einige Banken mit weiteren Kosten rechnen müssen, wenn die Zahlungsausfälle in die Höhe schnellen.

Die Risikomanager mehrerer grosser europäischer Kreditinstitute treffen sich in diesen Tagen miteinander und mit den Aufsichtsbehörden, um die Bildung von Rückstellungen und andere mögliche Folgen zu besprechen, berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Ein Vertreter einer Aufsichtsbehörde, der anonym bleiben wollte, sagte, dass die Banken in den kommenden Quartalen wahrscheinlich mehr Mittel zurücklegen werden.

UniCredit sagte am Donnerstag, dass die Bank dank ihres “starken” Kapitalniveaus, der Qualität ihrer Aktiva und eines “beträchtlichen Zuschlags” zusätzlich zu den normalen Rücklagen für Kreditausfälle “in der Lage ist, mögliche makroökonomische Spillover-Effekte” in ihrem Geschäft abzubilden.

Keine Einigkeit darüber, ob man sich ganz aus Russland zurückziehen sollte

Das Mailänder Kreditinstitut, eine der europäischen Banken mit der grössten Präsenz in Russland, hat im ersten Quartal 1,85 Milliarden Euro an Abschreibungen und Rückstellungen gebildet, und prüft schon seit Wochen den Ausstieg aus dem Land.

Andere Banken, darunter die Deutsche Bank, konzentrieren sich bei der Bildung von Rückstellungen stärker auf russische Kredite. Das deutsche Kreditinstitut sagte, es sei “unwahrscheinlich, dass sich Engpässe in der Lieferkette in Verlusten niederschlagen”. Das Basisszenario der Societe Generale ist eine “weiche Landung” für die Wirtschaft, sagte Chief Executive Officer Frederic Oudea in einem Bloomberg TV-Interview. Er verwies auf die “Geldpolitik in Europa, die sehr progressiv sein wird”.

Die französische Bank verkaufte letzten Monat ihre Rosbank-Sparte an die Investmentfirma von Wladimir Potanin, dem reichsten Mann Russlands. Dafür muss sie etwa 3 Milliarden Euro abschreiben, was sich laut Oudea in den Ergebnissen des zweiten Quartals widerspiegeln soll.

Unterdessen fühlen die Banken ihren Kunden weiter auf den Zahn um herauszufinden, wer im weiteren Verlauf Probleme haben könnte, seine Kredite zurückzuzahlen. Die österreichische Raiffeisen Bank International, neben der UniCredit eine der grössten ausländischen Banken in Russland, sieht 1,8 Milliarden Euro an Ausleihungen im Bereich Autoteile und -ausrüstung und 1,2 Milliarden Euro in der Chemie- und Düngemittelindustrie als am meisten gefährdet.

Keine Einigkeit besteht darüber, ob man sich ganz aus Russland zurückziehen sollte. UniCredit und Raiffeisen wägen ihre Optionen noch ab. Raiffeisen teilte am Mittwoch mit, dass Interesse an einem Kauf ihres Russlandgeschäfts signalisiert worden sei. Kreditgeber mit kleineren Niederlassungen sind bereits dabei, ihr Geschäft in dem Land zu beenden.

(Bloomberg)