Der Geschlechtergraben im Management der 100 grössten Schweizer Firmen ist 2022 kleiner geworden, wie aus dem am Freitag veröffentlichen Report des Kadervermittlers Guido Schilling hervorgeht. Der Frauenanteil stieg im Jahresvergleich um zwei Prozentpunkte auf 19 Prozent. Im kommenden Jahr soll die Marke von 20 Prozent überschritten werden, heisst es in der Studie weiter.
Dabei waren ein Viertel der 2022 neu berufenen Geschäftsleitungsmitglieder weiblich. Ein Fünftel der untersuchten Firmen haben damit mindestens drei Frauen in der Geschäftsleitung.
Etwas besser sieht es in den Verwaltungsräten aus. Dort hat bereits mehr als die Hälfte der Firmen mehr als drei Frauen im Aufsichtsgremium. Der Frauenanteil stieg innert Jahresfrist auf 29 Prozent von 26 Prozent.
Bei den CEOs sind Frauen aber immer noch Mangelware. Von den grössten 100 Schweizer Firmen werden gerade einmal deren zehn von Frauen geleitet. Dies ist zwar doppelt so viel wie noch vor zwei Jahren, doch bleiben Frauen in dieser Funktion deutlich unterrepräsentiert.
Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Finanzchefinnen von sieben auf 14. Dies sei insbesondere bedeutend, da die CFO-Position oft als Sprungbrett zur Unternehmensleitung gilt, heisst es weiter. Immerhin ein Fünftel der Firmen beschäftigt damit entweder einen weiblichen CEO oder CFO.
Nachhaltige Entwicklung eingesetzt
Studienautor Guido Schilling zeigt sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP mit der aktuellen Entwicklung zufrieden. In der ersten Studie vor fast 20 Jahren lag der Frauenanteil noch bei vier Prozent. Die aktuelle Entwicklung hin zu fast 20 Prozent sei daher erfreulich.
Insbesondere sei positiv, dass immer mehr Frauen ins mittlere Management nachrückten. Der Frauenanteil erhöhte sich bei den untersuchten Firmen auf 27 Prozent von 25 Prozent. "Der Zug fährt schnell und ist nicht mehr zu stoppen, es braucht aber noch ein paar Jahre bis sich die Frauen aus dem Middle Management nach ganz oben entwickeln," sagte Schilling. Die Basis für eine Gleichstellung der Geschlechter sei gelegt, auch wenn es nach wie vor ein Generationenprojekt sei.
International gesehen ist die Schweiz beim Anteil von Frauen in Führungspositionen eher noch ein "Herausforderer", so Schilling weiter. Er halte den Ansatz der Schweiz aber für richtig, nicht auf eine strenge Frauenquote zu setzten, wie es etwas in Deutschland gemacht wird. In der Schweiz sei die Dynamik viel nachhaltiger und es seien etwa auch nicht Frauen zu früh in Positionen vorgerückt, zu denen sie noch nicht bereit waren, nur um eine Quote zu erfüllen. Solche würen oft wieder den Bettel hinschmeissen.
Die von der Politik gesetzten Richtwerte für einen Frauenanteil in den Geschäftsleitungen von 20 Prozent und in den Verwaltungsräten von 30 Prozent für das Jahr 2024 würden voraussichtlich erreicht werden. Dafür habe es keinen gesetzlichen Zwang gebraucht.
Diversität als Wettbewerbsvorteil
Firmen mit einem hohen Frauenanteil in der Führung werden laut Schilling in der Zukunft auch einen Wettbewerbsvorteil haben. Denn für die nächste Generation, die in den Arbeitsmarkt eintritt, werden Fragen wie Gleichstellung sowie auch Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf eine wichtige Rolle spielen.
Zudem seien divers aufgestellte Firmen auch nachweislich erfolgreicher. "Die diversen Firmen werden die nicht-diversen weit hinter sich lassen," zeigte sich Schilling überzeugt.
Hinderlich sei jedoch immer noch das in den Köpfen verankerte Rollenmodell, dass die Frau sich um die Kinder kümmert und der Mann arbeiten geht. Neben einem Wandel im Denken der Menschen brauche es daher insbesondere bessere Angebote in der Tagesbetreuung von Kleinkindern und in den Schulen. Nur so liessen sich Frauen auch motivieren, nicht aus dem Beruf auszusteigen, sagte Schilling weiter.
Deutlich bereiter ist die Basis bereits im öffentlichen Sektor. Hier sind fast doppelt so viele Top-Kader und Top-Managementfunktionen mit Frauen besetzt, wie bei privaten Firmen. Öffentliche Firmen ernten laut Schilling damit jetzt schon die "Früchte ihrer Arbeit". Erreicht wurde dies auch dadurch, dass der Bund die letzten vier Jahre immer die Hälfte der Vakanzen mit Frauen besetzt hat.
GL wird jünger, CEOs werden älter
Erstmals seit 18 Jahren ist dafür das Durchschnittsalter der Geschäftsleitungsmitglieder gesunken. Im Vergleich zu 2022 ging es um drei Jahre auf durchschnittlich 53 Jahre zurück. 2022 wurden vergleichsweise viele junge Geschäftsleitungsmitglieder berufen, ihr Alter lag im Schnitt bei 51 Jahren.
Die CEOs sind mit 56 Jahren im Schnitt hingegen ein Jahr älter geworden. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung, wie es weiter heisst.
cg/kw
(AWP)