In einer Welt mit niedriger Inflation und niedrigen Zinsen stehen die USA und der Euroraum vor gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen, und die Zentralbanken allein verfügen nicht über die Mittel, diese zu bewältigen.

Diese Botschaft kam auf der Jahrestagung der American Economic Association am Sonntag vom früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi und der Ex-Chefin der Federal Reserve, Janet Yellen.

"Ich glaube, dass für den Euroraum ein gewisses Japanisierungsrisiko besteht, aber es ist keineswegs eine ausgemachte Sache", wenn die Region umfassend gegen eine deflationäre Misere vorgehe, sagte Draghi über einen Videolink zur Konferenz in San Diego. "Die Eurozone hat noch Spielraum dafür, aber die Zeit ist nicht unbegrenzt", fügte er hinzu.

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Yellen sieht die USA in einer säkularen Stagnation gefangen und folgt damit der Analyse des ehemaligen amerikanischen Finanzminister Lawrence Summers, wie sie anmerkte. In einer solchen Stagnation sind die gewünschten Ersparnisse größer sind als die Investitionen, was auf die Zinsen drückt.

Draghi tadelt Regierungen des Euroraums

Die Vorgängerin von Fed-Chef Jerome Powell nannte eine Reihe von Strukturkräften, die die Zinsen niedrig halten - einschließlich einer alternden Bevölkerung und einer stockenden Produktivität. Sie ließ auch durchblicken, dass diese noch eine Weile anhalten werden. "Diese Faktoren können sich von Natur aus als chronisch erweisen", sagte Yellen, die inzwischen für die Brookings Institution in Washington tätig ist.

Draghi tadelte die Regierungen des Euroraums, mit der restriktiven Fiskalpolitik der vergangenen Jahre die Bemühungen der EZB, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, durchkreuzt zu haben. "Deshalb hat die EZB konsequent gefordert, dass die Fiskalpolitik eine stärkere Rolle spielen und die niedrigen Zinsen nutzen sollte", sagte er.

Den geldpolitischen Entscheidungsträgern in Europa riet Draghi, sich nicht mit einem Abgleiten in die Deflation abzufinden. "Es ist sicherlich nicht zu spät für die Eurozone, dies zu vermeiden", sagte er und fügte hinzu: "In einer deflationären Falle befindet sich die Eurozone nicht."

Geldpolitik reicht in kommenden Jahren nicht aus

Yellen sagte, dass die Geldpolitik in den USA nicht als Instrument zur Rezessionsbekämpfung abgeschrieben werden sollte, nur weil die Zinsen so niedrig sind. Sie stimmte ihrem Vorgänger Ben Bernanke zu, dass quantitative Lockerung und Forward-Guidance wirksame Mittel sein können, der Wirtschaft Impulse zu geben. Ausreichen werde die Geldpolitik in den kommenden Jahren - trotz ihrer bedeutenden Rolle - aber wohl kaum, so Yellen. Sie "sollte nicht die einzige Kraft sein."

Trotz der in den letzten Jahren stark gestiegenen Staatsverschuldung könnten die USA es sich leisten, die Bundesausgaben zu erhöhen und die Steuern zu senken, um die Wirtschaft in einer Rezession zu stützen, so die ehemalige Notenbank-Gouverneurin.

Yellen äußerte sich derweil jedoch besorgt über die Finanzstabilitätsrisiken, die sich aus einer längeren Niedrigzinsphase ergeben. Vor diesem Hintergrund mangele es an verfügbaren makroprudenziellen Instrumenten.

(Bloomberg)