Anleger an den Aktienmärkten spürten es in den letzten Wochen ganz deutlich: Der Handelsstreit sorgt für Nervosität. Denn die Spannungen zwischen den USA und  anderen Ländern rund um die Ausgestaltung von Handelsbeziehungen haben zugenommen. Das sorgte nicht nur für mehr Volatilität an den Börsen, sondern auch für weniger Wachstumsdynamik in Bezug auf die globale Konjunktur.

Laut Christian Takushi, der für Investoren politische Analysen erstellt, ist Geopolitik gar das dominierende Thema an den Märkten. "Die Politik der Notenbanken ist in den Hintergrund getreten, während die geopolitischen Spannungen im Vordergrund stehen", sagt er im cash-Talk. Nach Ansicht von US-Präsident Donald Trump wird sein Land im Handel seit Jahren benachteiligt. Er kritisiert zum Beispiel den hohen Handelsüberschuss Chinas.

Der Streit darüber und über mögliche neue Zölle auf verschiedene Produkte droht nun zu einem Handelskrieg auszuarten. Für Takushi sind die USA dabei klar im Vorteil: "Der grösste Verlierer im Handelsstreit ist Europa, gefolgt von China." Europa habe sehr von der Maximierung des Welthandels profitiert, Amerika aber weniger. Deshalb hätten die USA weniger zu verlieren.

Europa und Asien leiden bereits

Diese Beobachtung lässt sich auch an Zahlen festmachen. Laut einer aktuellen Studie der Privatbank Pictet sind die Einkaufsmanagerindizes in jenen Ländern am meisten zurückgekommen, wo der internationale Handel am meisten ausgeprägt ist. Wie in der folgenden Grafik ersichtlich, sind das vor allem europäische und asiatische Länder. In Italien, Deutschland oder Taiwan hat sich das Geschäftsklima jüngst am meisten eingetrübt. Im Fall der Türkei spielt auch der stärkere Dollar eine Rolle.

PMI-Veränderung (y-Achse) und aussenwirtschaftliche Öffnung (x-Achse), Quelle: Pictet AM

Den amerikanischen Vorteil sieht Takushi auch militärisch begründet. Trotz Handelsboom habe es Europa versäumt, die Handelsrouten, von denen der Wohlstand abhängt, zu verteidigen. "Ohne militärische Macht, um diese Routen zu verteidigen, können wir solche Handelskriege gar nicht eingehen."

Auch die Schweiz befindet sich unter den überdurchschnittlich betroffenen Volkswirtschaften, weil sie stark mit der EU verknüpft ist. Deshalb das Fazit des Geopolitik-Experten: "Auch der Wohlstand in der Schweiz ist gefährdet." Eine Möglichkeit könnte deshalb sein, sich von der EU loszulösen und mit allen grösseren Wirtschaftsmächten bilaterale Beziehungen anzustreben.

Schweiz bleibt gefangen in der EU

Für Anleger wichtig: Wenn die Amerikaner ihre bisherige liberale Handelspolitik infrage stellen, könnte es just die unter Investoren beliebten Technologieaktien wie Facebook, Alphabet oder Amazon am meisten treffen. Diese Firmen gehörten zu den grössten Profiteuren des Umfelds der letzten Jahre. "Ich könnte mir vorstellen, dass die Trump-Administration vor den Wahlen im November diese Industrie anpackt", sagt Takushi.

Wichtiges politisches Thema der letzten Wochen waren auch die Wahl-Wirren in Italien. Die Unsicherheit über den Kurs der neuen Regierung hat sich aus Schweizer Sicht besonders beim Euro-Franken-Kurs gezeigt. Vor kurzem stand das Währungspaar noch bei 1,20, heute ist der Euro mit weniger als 1,16 klar schwächer. Die Abhängigkeit vom Euro bleibe langfristig bestehen, so Takushi, denn die Schweiz sei "de facto ein EU-Mitglied geworden".

Im Video-Interview äussert sich Christian Takushi auch über die Gewinner des Nordkorea-Gipfels in Singapur und er nennt Profiteure einer regionalisierten Wirtschaftsordnung.