Der Plan der EU, eine moderne Chipfabrik zu errichten, sei noch keine tragfähige Strategie, erklären Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung und John Lee, ehemals beim Mercator Institute for China Studies, in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Studie.

Die EU arbeitet derzeit an einer Halbleiterstrategie, mit der sie den Zugang des Kontinents zu dieser Schlüsseltechnologie verbessern will. Die aktuelle Lieferklemme und die sich verschärfende Rivalität zwischen den USA und China haben die Dringlichkeit des Themas erhöht.

Ein zentrales Ziel des europäischen Chip-Gesetzes, an dem die Europäische Kommission derzeit arbeitet, ist es, bis 2030 Produktionskapazitäten für 20 Prozent des globalen Halbleitermarktes in der EU zu haben. Das soll unter anderem durch Entwicklung und Herstellung eigener Chips erreicht werden.

Kleinhans und Lee fordern stattdessen, auch in andere Teile der Halbleiterproduktion zu investieren, namentlich Test und Montage der Chips. Lokale Startups wie Universitäten sollten ermutigt werden, beim Chipdesign zu helfen. Europa müsse seine Lieferkette ausserdem besser verstehen, um weitere Engpässe vermeiden zu können.

Vernachlässigt, aber entscheidend

Diese Bereiche würden in aktuellen Debatten vernachlässigt, "sind aber für die technologische Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit Europas von entscheidender Bedeutung", heisst es in dem gemeinsamen Papier.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist Europa bei Computerchips zunehmend von China abhängig geworden. Dies berge Risiken für die nationale Sicherheit und die technologische Wettbewerbsfähigkeit.

Bisher verfolgt die EU und Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich vor allem die Strategie, ein Halbleiterwerk anzusiedeln, die die fortschrittlichsten Chips bauen kann. Die Autoren empfehlen allerdings auch substanzielle Investitionen in Chipdesign, das mit der zunehmenden Spezialisierung von Halbleitern an Bedeutung gewinnt. 

Chinas "Hyperscaler" wie Alibaba, Tencent und Baidu entwickeln mittlerweile zunehmend ihre eigenen Chips für künstliche Intelligenz und Cloud-Computing, so Kleinhans und Lee. Diese zunehmende Designfähigkeit habe Auswirkungen auf die nationale Sicherheit, da sie Chinas Militär Zugang zu potenziell leistungsfähigeren und effizienteren Chips verschafft.

Auch am Ende der Wertschöpfungskette müsse Know-How zurück nach Europa, denn der Ausbau von Wafer-Fertigung in Europa "lindert die Bedrohung für die nationalen Sicherheit nicht, wenn diese Wafer dann zur Montage und für Tests nach China gehen", fügen sie hinzu.

(Bloomberg)