Besorgte Investoren, die sich fragen, ob sie ab Montag keine Schweizer Aktien mehr handeln können, hören von Händlern dieser Tage meist: keine Sorge. Das stimmt jedoch nur zum Teil.

Die europäischen Aktien-Desks bereiten sich darauf vor, den Handel mit den meisten Schweizer Aktien über Zürich umzuleiten. Dies ist ihre Reaktion darauf, dass die Schweiz beispiellose Massnahmen ergriffen hat, um den Handel ihrer Aktien in der EU ab dem 1. Juli zu blockieren. Der Grund dafür: Gespräche zwischen der Schweiz und der EU über einen neuen Rahmenvertrag für ihre bilateralen Beziehungen haben bisher kein Ergebnis gebracht.

Es wird wohl zu einigen Störungen kommen, da die neuen Regeln erst einmal umgesetzt werden müssen. Gleichwohl ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass der Handel mit Aktien von Konzernen wie dem Nahrungsmittelgiganten Nestlé oder dem Pharmaunternehmen Novartis ein Problem sein wird. Der Kauf und Verkauf von Aktien des Industriekonzerns ABB und des Zementherstellers LafargeHolcim könnte sich jedoch als schwieriger erweisen, da sie Börsennotierungen und Liquidität an den EU-Märkten haben.

"Wir könnten einige dramatische Kursschwankungen bei Aktien wie ABB und LafargeHolcim sehen, da die Transaktionen über Euronext oder andere europäische Primärmärkte abgewickelt werden müssen, an denen nur sehr wenig Liquidität vorhanden ist", sagt Eric Hassid, ein Händler bei Aurel BCG in Paris. "Das wird ein Problem sein." Hassid will alle seine Trades in Schweizer Aktien über Zürich umleiten, darf dies aber nicht bei ABB, LafargeHolcim, BB Biotech AG, dem Bäcker Aryzta und dem Broker Compagnie Financière Tradition (CFT), die alle doppelt gelistet sind.

«Investments überprüfen»

Solche Unternehmen bereiten Händlern das meiste Kopfzerbrechen. "Wir warten auf weitere Informationen von den Unternehmen", sagt Guillermo Hernandez Sampere, Handelschef beim deutschen Vermögensverwalter MPPM EK. "Sollten wir erhebliche Auswirkungen bei einer unserer Schweizer Aktien beobachten, müssen wir diese Investments überprüfen."

So wie es aussieht, ist der heutige Freitag der letzte Handelstag für Aktien, bevor die EU-Äquivalenzregel ausläuft. Ohne die Schweizer Gegenmassnahmen hätten EU-Investoren den Zugang zu den Börsen des Landes verloren. Die Schweiz hat die Schritte ergriffen, um einen Liquiditätsverlust auszugleichen, nachdem die Europäische Kommission angekündigt hatte, die Anerkennung der Börse des Landes nicht über das Monatsende hinaus zu verlängern.

Es ist nicht klar, wie lange die Blockade anhalten wird. Die Kommission teilte am Donnerstag mit, dass ihre "Tür zum Abschluss der Vereinbarung offen bleibt", bevor das derzeitige Mandat des Exekutivorgans im Oktober endet.

Ohne Wertpapiere

In London ansässige Handelsplätze von Betreibern wie London Stock Exchange, der UBS, Aquis Exchange und Cboe Global Markets haben Kunden gewarnt, dass sie Wertpapiere von Schweizer Emittenten ausschliessen werden. Über EU-Handelsplätze erfolgen rund 30 Prozent der Transaktionen mit Schweizer Aktien, was bedeutet, dass die Volumina an der SIX, der Hauptbörse der Schweiz, aufgrund der Umleitung wahrscheinlich ansteigen werden.

"Solange Ihr Privatbanker oder Clearer eine Schweizer Geschäftsstelle hat, sollte es kein Problem sein, mit Schweizer Aktien zu handeln", erklärt Keith Temperton, ein Händler bei Tavira Securities, per E-Mail als Antwort auf eine Bloomberg-Anfrage. "Es gibt immer eine Hintertür in solchen Situationen."

Auch wenn die Konsequenzen für die Schweiz und die EU-Händler auf kurze Sicht überschaubar sind, könnte auf lange Sicht die Attraktivität des Schweizer Marktes leiden, warnt Vincent Mivelaz, ein Analyst bei Swissquote. "Einige Portfoliomanager werden sich angesichts der Komplexität und der Tatsache, dass wir nicht wissen, wie dies enden wird, letztendlich dafür entscheiden, sich nicht mehr so stark auf Schweizer Aktien zu konzentrieren", sagt Mivelaz. "Es könnte auch schwieriger werden, Gelder für Schweizer Börsengänge zu finden, sodass wir weniger davon sehen könnten."

Die Aktien von Aluflexpack, die am Freitag in Zürich ihren Börsengang hatten, waren indes rege gesucht, und kletterten rund 9 Prozent. Es war der dritte Schweizer IPO im laufenden Jahr.

(Bloomberg/cash)