Zunächst wurde er zum reichsten Menschen in Asien. Dann übertraf sein Nettovermögen das von Warren Buffett und Bill Gates. Jetzt nähert er sich schnell einem Reichtums-Niveau an, das nur noch von Jeff Bezos und Elon Musk übertroffen wird. Der Aufstieg von Gautam Adani kann in jederlei Hinsicht als bemerkenswert bezeichnet werden. In einem Jahr, in dem viele Vermögen auf der ganzen Welt zusammengebrochen sind, hat sich sein Nettovermögen fast verdoppelt und stieg von 65 auf 141 Milliarden Dollar. Damit ist er laut Bloomberg Billionaires Index der drittreichste Mensch des Planeten.

Wegen des sprunghaft angestiegenen Vermögens von Gautam Adani erfahren die Bewertungen seiner Unternehmen, die Verschuldung seines Geschäftsimperiums und seine Verbindungen zur indischen Regierung eine erhöhte Aufmerksamkeit. Seine Unternehmen Adani Green Energy und Adani Total Gas werden mit dem 750-fachen des Gewinns gehandelt, während Adani Enterprises und Adani Transmission Bewertungen aufweisen, welche mehr als das 400-fache des Ertrags umfassen. Zum Vergleich: Tesla von Elon Musk und Amazon von Jeff Bezos haben ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 100.

Die Mehrheit der Firmen von Gautam Adani haben ein sehr hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis (Grafik: Bloomberg).

Repräsentant von goldenem Zeitalter

Der 60-jährige Adani hat den Schwerpunkt seines Konglomerats auf diejenigen Punkte verlagert, die Premierminister Narendra Modi als entscheidend für die Erreichung Indiens langfristiger wirtschaftlicher Ziele ansieht. Gautam Adani hat dies zum Teil durch eine schuldenfinanzierte Expansion erreicht. Dies veranlasste den Marktforscher CreditSights dazu, sein Imperium in einem Bericht aus dem letzten Monat als "stark überschuldet" zu bezeichnen.

"Adani hat durch eine Mischung aus aggressiver Risikobereitschaft, schneller Schuldenanhäufung und geschickter politischer Verbindungen ein ausserordentliches Vermögen angehäuft ", sagt James Crabtree, Autor von "The Billionaire Raj". Das Buch handelt vom Reichtum und der Ungleichheit Indiens. "Sein rasanter Aufstieg an die Spitze der indischen und asiatischen Grossunternehmer innerhalb eines Jahrzehnts repräsentiert die Möglichkeiten und die ungezügelte Ungleichheit von Indiens neuem goldenem Zeitalter."

Adani, ein Studienabbrecher, der bereits einen Terroranschlag überlebt hat und auch für Lösegeld gekidnappt wurde, versuchte in den frühen 1980er-Jahren sein Glück in Mumbais Diamantenindustrie, bevor er sich der Kohle- und Hafenindustrie zuwandte. Danach baute er ein Geschäftsimperium auf, das von Flughäfen, Rechenzentren, Medien bis Zement alle möglichen Geschäftsfelder umfasst. Letztes Jahr hat er geschworen, 70 Milliarden Dollar in grüne Energie zu investieren, um zum weltgrössten Produzenten erneuerbarer Energien zu werden.

Um mehr als 1000 Prozent gestiegen

Dem Aktienmarkt nach zu urteilen, waren Adanis Schritte äusserst erfolgreich. Die Aktien einiger seiner Unternehmen sind seit 2020 um mehr als 1000 Prozent gestiegen. Im Vergleich dazu legte der nationale Benchmark-Index S&P BSE Sensex um 44 Prozent zu. Die starken Zuwächse haben die Besorgnis über undurchsichtige Aktionärsstrukturen und mangelnde Analystenabdeckung noch weiter befeuert. Dies insbesondere angesichts der Tatsache, dass die globalen Finanzmärkte angesichts höherer Zinssätze unter Druck sind.

Im Gegensatz dazu sind die Dollar-Anleihen für viele der Unternehmen der Adani-Gruppe gesunken. "Es bleibt unklar, wie sein Marktanteil so stark ansteigen konnte, denn es gibt anscheinend kein grosses Interesse von Seiten der institutionellen Anleger", sagt Hemindra Hazari, ein unabhängiger Analyst mit Sitz in Mumbai.

Die CreditSights-Analysten, die vor der übermässigen Verschuldung der Adani-Unternehmen warnten, sagen, dass die Gründer, die in Indien "Promotoren" genannt werden, mehr Eigenkapital in die Unternehmen einbringen müssen, um die Ruckstände in ihren Bilanzen zu verringern. Mit Besorgnis äusserten sie sich auch darüber, dass der Einstieg in neue, unbekannte Geschäftszweige, die kapitalintensiv sind, eine Reihe von Risiken mit sich bringen.

«Die Musik wird weitergehen»

Die Adani-Gruppe selbst meint, dass sie ihre Schuldenkennzahlen in den letzten zehn Jahren verbessert habe, wobei der Verschuldungsgrad ihrer Portfoliogesellschaften jetzt "gesund" und im Einklang mit ihren jeweiligen Branchen sei. Die Nettoverschuldung ist vom 7,6-fachen im Jahr 2013 mittlerweile auf das 3,2-fache des Ergebnisses gefallen, sagt die Gruppe weiter. Gleichzeitig sind die Anteile, die für Kredite verpfändet wurden, von ihren Höchstständen im Jahr 2020 zurückgekommen, als die pandemiebedingte Aktienkrise Adani und seine Familie dazu veranlasst hat, die eigenen Sicherheiten zu erhöhen.

Trotz der Skepsis sagt CreditSights, dass man "Trost" schöpfe aus den guten Beziehungen der Adani-Gruppe zu den Banken, sowie zur Regierung von Modi, der 2019 mit fast zwei Dritteln der Stimmen wiedergewählt wurde. Sharon Chen, eine Analystin von Bloomberg Intelligence, die sich mit Adanis Häfen und Versorgungsbetrieben befasst, sagt, dass sie sich keine Sorgen über die Höhe des Leverage mache und keine Finanzierungsprobleme erwarte.

Adani befände sich laut Hazari in einem wahren Erwerbsrausch und die Banken seien auch bereit, den Milliardär zu finanzieren. Ein wichtiger Punkt sei aber auch, dass Adani enge Beziehungen zu Modi habe: "Solange diese Regierung besteht - und sie dürfte noch lange Bestand haben - wird die Musik weitergehen."

(Bloomberg/cash)