Die Corona-Pandemie bleibt mit der Omikron-Welle auch im neuen Jahr ein weltweites Nachfragerisiko. Aber nach der kurzen und scharfen Rezession im Jahr 2020 stellt der zunehmende Preisdruck eine ebenso grosse Herausforderung für die Geldpolitik der Zentralbanken dar. Die Notenbanker agieren zu Beginn des neuen Jahres denn auch vorsichtig. Ein schneller Kontrollversuch der Preise könnte das Wirtschaftswachstum abwürgen, insbesondere wenn die Inflation im Verlauf des Jahres ohnehin nachlässt. 

Länger zu warten, um die wirtschaftliche Erholung zu sichern, könnte aber den Inflationsdruck verfestigen und später noch stärkere Massnahmen erfordern. Die Zentralbanken sind in einer Zwickmühle. Zunehmend von den Inflations-Aussichten beunruhigt ist die US-Notenbank Fed, die dieses Jahr die Zinsen das erste Mal seit 2018 anheben dürfte. Die Konsumentenpreise stiegen im November um 6,8 Prozent zum Vorjahresmonat.

Bereits im März könnte mit dem endenden Anleihekaufprogramm der erste Zinsschritt durch die Fed erfolgen. Entscheidend dafür ist, wie stark Omikron das Wirtschaftswachstum beeinflusst. Bloomberg Economics rechnet damit, dass das Zinsniveau Ende Jahr in drei Anhebungsschritten von aktuell 0,25 auf 1 Prozent angehoben wird - bis Ende 2023 auf 2 Prozent. Die Besetzung der drei offenen Sitze im Fed-Gremium durch US-Präsident Biden wird den Zinsausblick für 2022 kaum verändern.

Fed mit Leitzinserhöhungen in guter Gesellschaft

Die Notenbanken von Kanada und Grossbritannien könnten der Fed sogar zuvorkommen. Bloomberg Economics schätzt, dass die Bank of England (BoE) die Zinsen von 0,25 Prozent auf 0,75 Prozent anheben wird. Der erste Schritt dürfte bereits im Februar erfolgen, da die Inflation das Realeinkommen zunehmend vermindert und das Wirtschaftswachstum bremst.

Das kanadische Gegenstück dürfte gezwungen sein, die Zinsen von 0,25 auf 1 Prozent zu erhöhen. In Kanada befindet sich die Arbeitsbeschäftigung bereits über dem Vor-Corona-Niveau, die Rohstoffpreise machen sich im diesbezüglich reichen Land bei den Einkommen positiv bemerkbar und die Häuserpreise sind im vergangenen Jahr um 25 Prozent angestiegen.

Und damit sind sie, wie in der Grafik ersichtlich, nicht allein: Dreizehn weitere Zentralbanken werden 2022 ihre Zinsen wohl erhöhen und die geldpolitischen Zügel straffen - darunter Schwellenländer wie Brasilien, die bereits 2021 Zinserhöhungen durchgeführt haben. Das südamerikanische Schwellenland kämpft mit einer hohen Inflation - 10 Prozent für 2021 - und wird den Leitzins 2022 laut Bloomberg Economics trotz anhaltender Rezession von 9,25 auf 11,5 Prozent erhöhen.

Eine totale Kehrtwende wird wohl die türkische Zentralbank vollziehen. Nach einer Zinssenkung um 100 Basispunkten im Dezember muss diese 2023 geldpolitisch Gegensteuer geben. Denn im Dezember sprang die Inflationsrate auf 36 Prozent – und die Lira ist immer noch unter Druck. Bloomberg Economics geht davon aus, dass der Leitzins von gegenwärtig 14 auf 23 Prozent angehoben werden muss, um eine Normalisierung herbeizuführen. Daran können auch die Verbalattacken durch Präsident Recep Tayyip Erdogan nichts ändern.

EZB und SNB mit Minuszinsen bis 2023

Im Gegensatz dazu könnten die Europäische Zentralbank EZB und die Bank of Japan BoJ das Jahr dort beenden, wo sie es begonnen haben: Mit Zinsen unter null. Bloomberg Economics geht sogar davon aus, dass die EZB bis 2023 die Zinsen bei minus 0,5 Prozent behalten wird. Denn die Inflation dürfte trotz starkem Wirtschaftswachstum 2023 unter das Zielband von 2 Prozent fallen. Denn der Lohndruck ist in Europa viel geringer als in den USA.

Ein gleiches Szenario wie bei der EZB sieht Bloomberg Economics auch für die Schweiz. Laut ihrer Prognose werden die Zinsen bis 2023 bei minus 0,75 Prozent verbleiben. Dies dank der Erstarkung des Frankens gegenüber dem Euro, was den Inflationsdruck deutlich dämpft. Für 2022 wird mit einer Inflation von 1 Prozent und für 2023 mit einer von 0,6 Prozent gerechnet.

Die chinesische Zentralbank (PBoC) dürfte 2022 sogar den Zinssatz von 2,95 Prozent auf 2,75 Prozent senken, um die Verlangsamung der Wirtschaft abzufedern. Diese geldpolitische Kehrtwende zu tieferen Zinsen hat die Zentralbank im letzten Quartal 2021 angesichts der Immobilienkrise und der sich verlangsamenden Wirtschaft eingeleitet.

(Bloomberg/cash)