Alle drei Jahre wird die Hälfte der 248 Sitze im Oberhaus neu vergeben. Auch im mächtigeren Unterhaus stellt die Koalition die Mehrheit. Die LDP regiert mit zwei kurzen Unterbrechungen seit der Gründung 1955. Viele Bürger sehen im zersplitterten Oppositionslager keine echte Alternative. Kritiker beklagen politische Apathie.

Der erwartete Wahlsieg dürfte die Machtposition Kishidas, der erst seit neun Monaten amtiert, in einer Zeit stärken, in der Japans wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie durch steigende Energie- und Lebensmittelpreise bedroht ist. Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine und des Machtstrebens Chinas will seine Partei LDP zudem eine starke Erhöhung der Militärausgaben. Regulär stehen erst in drei Jahren wieder nationale Wahlen an.

Nach der Wahl könnte die Debatte um die von der LDP seit langem angestrebte Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung wieder an Fahrt gewinnen. Es zeichnete sich ab, dass das Lager der Befürworter einer Verfassungsänderung auch nach der Oberhauswahl auf die hierfür in beiden Kammern nötige Zweidrittel-Mehrheit kommt. Neben den Koalitionsparteien befürworten auch die oppositionelle Democratic Party for the People und die konservative Nippon Ishin eine Änderung. Die grösste Oppositionspartei, die Konstitutionelle Demokratische Partei, musste derweil am Sonntag Verluste befürchten.

Eine Änderung der pazifistischen Verfassung war das politische Lebensziel des erschossenen Abe. Sein 41 Jahre alter Attentäter wurde am Sonntag der Staatsanwaltschaft überstellt. Er sagte nach seiner Verhaftung laut Medienberichten, er habe aus Hass auf eine religiöse Gruppierung gehandelt, die Abe in Japan unterstützt habe.

Seine Mutter habe der religiösen Organisation hohe Summen gespendet, was seine Familie ruiniert habe. Den Namen der Organisation wollen weder Polizei noch Japans staatstragende Medien bisher nennen. Das Online-Magazin "Gendai Business" brach jedoch nun das Schweigen: es handele sich um die umstrittene Vereinigungskirche des verstorbenen koreanischen Sektengründers San Myung Mun, hiess es unter Berufung auf Ermittlungskreise. Eine Bestätigung dafür gibt es bislang nicht.

Die auch als Mun-Sekte bekannte und 1954 gegründete Organisation unterstützt in aller Welt konservative politische Aktivitäten. Dank einer ergebenen Gefolgschaft baute Mun ein Firmenimperium auf, das ihn zum Milliardär machte. Er war bekannt für organisierte Massenhochzeiten, die auch nach seinem Tod 2012 weiter stattfanden.

Laut Experten unterhält die Sekte Beziehungen zu Abes regierender Partei LDP, die bis zu Abes Grossvater, dem früheren Premier Nobusuke Kishi zurückreichten. Dieser war nach dem Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher verdächtigt, aber nie angeklagt worden. Kishi und Mun verband ihre anti-kommunistische Haltung. Seit 1996 nennt sich die Sekte "Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung".

Der Attentäter verneinte laut Medien im Verhör jedoch, aus Groll über Abes politische Überzeugungen ihn umgebracht zu haben. Ursprünglich habe er es auch gar nicht auf den rechtskonservativen Politiker abgesehen, sondern auf einen Anführer der religiösen Gruppe. Er habe eine Video-Grussbotschaft von Abe an die Gruppe gesehen, zitierte ihn die Zeitung "Yomiuri Shimbun" ohne Nennung des Namens.

Unterdessen räumte Japans Polizei Mängel beim Schutz von Ex-Premier Abe ein. "Es ist unbestreitbar, dass es Probleme mit der Sicherheit gab", räumte der Chef der Präfekturpolizei von Nara ein. Am Montag findet eine Totenwache für Abe und am nächsten Tag die Bestattung im Kreis engster Angehöriger statt. US-Aussenminister Antony Blinken kommt am Montag nach Tokio, um dem Land sein Beileid auszudrücken. Am selben Tag führt auch Aussenministerin Annalena Baerbock in Tokio Gespräche. Sie besuchte am Sonntag zunächst die Stadt Nagasaki./ln/DP/he

(AWP)