Im Januar 2015 beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) ein massives Wertpapierkaufprogramm einzuführen. Zwei Monate später begannen die Währungshüter mit dem Erwerb von Staatsanleihen und weiteren Schuldtiteln. Zu Beginn lag das Kaufvolumen bei 60 Milliarden Euro pro Monat und wurde zwischenzeitlich mehrmals erweitert.  Heute werden noch immer monatlich Anleihen gekauft, mindestens bis zum Jahresende.

Eine Politik, die nicht bei allen gut ankommt: "Die Geldpolitik, wie sie die EZB seit 2015 verfolgt, basiert auf einer falschen Diagnose", sagt der unabhängige Ökonom Jürgen Stark am Swiss International Finance Forum (SIFF) am Dienstag in Bern im Video-Interview. Man hätte gar nicht erst auf diese Politik einsteigen sollen und nun käme der jüngst von EZB-Chef Mario Draghi angedeutete Anfang des Ausstiegs aus der expansiven Geldpolitik zu spät. 

Am 8. Juni verzichtete die EZB auf den Hinweis auf mögliche weitere Zinssenkungen. Der bislang übliche Zusatz bei der Zinseinschätzung "oder auf einem niedrigeren Niveau" entfiel. Verschiedene Experten werten dies als erstes zaghaftes Signal der Notenbank, den Ausstieg aus dem aussergewöhnlichen geldpolitischen Kurs einzuleiten.

Ein Unterfangen, das nicht leicht werden dürfte: "Man kommt zwar dem Ausstieg aus dieser expansiven Geldpolitik der EZB jetzt vielleicht etwas näher - doch dieser wird sehr schwierig und komplex werden", prophezeit Stark, der von 2006 bis 2011 Chefökonom der EZB war. Die grösste Schwierigkeit bei diesem Ausstieg sei, so Stark, dass sich sowohl die Märkte als auch die Regierungen an diese Geldpolitik gewöhnt hätten und sogar abhängig von niedrigen Zinsen seien. "Ein abrupter Entzug der Liquidität oder ein plötzlicher Anstieg der Zinsen würde zu negativen Folgen führen", so der EZB-Kritiker.

Welche Ausstiegs-Szenarien er für realistisch und verträglich hält und wie es bezüglich Handlungsspielraum der Schweizerischen Nationalbank ausszieht, sagt Jürgen Stark im ausführlichen Video-Interview.

(mit Material von AWP)