Das ist eine beunruhigende Kombination für die Zentralbanken, die versuchen, den stärksten Preisdruck seit Jahrzehnten einzudämmen, ohne die Erholung von der Pandemie zu gefährden. 

Während Energieexporteure profitieren und der Einfluss von Erdöl auf die Volkswirtschaften nicht mehr so gross ist wie früher, sieht sich ein Grossteil der Unternehmen der Welt höheren Rechnungen ausgesetzt und die Kaufkraft der Verbraucher schmilzt angesichts der Teuerung bei Lebensmitteln, Transport und Heizung.

Nach dem Shock-Modell von Bloomberg Economics würde ein Anstieg des Rohölpreises von etwa 70 Dollar Ende 2021 auf 100 Dollar bis Ende dieses Monats die Inflation in den USA und Europa in der zweiten Jahreshälfte um etwa einen halben Prozentpunkt ansteigen lassen.

Wegen Ölschock droht Wachstumsverlangsamung

JPMorgan warnt, ein Anstieg auf 150 Dollar würde die globale Expansion fast zum Stillstand bringen und die Inflation auf über 7 Prozent ansteigen lassen.

"Der Ölschock trägt zu einem umfassenderen Inflationsproblem bei", sagte der langjährige Fed-Vertreter Peter Hooper, jetzt globaler Leiter der Wirtschaftsanalyse der Deutsche Bank. "Die Wahrscheinlichkeit einer deutlichen Verlangsamung des globalen Wachstums ist gross."

Der Ölpreis ist in den letzten 12 Monaten etwa 50 Prozent gestiegen und Teil einer breiteren Rallye bei Rohstoffpreisen wie auch Erdgas, unter anderem aufgrund des schnellen Anziehens der Konjunktur nach den Lockdowns, den Spannungen in der Ukraine und in den Lieferketten. 

Noch vor zwei Jahren war er kurzzeitig sogar negativ.

Energiekrise verschärft Druck auf globale Lieferketten

Die Energiekrise verschärft auch den anhaltenden Druck in den globalen Lieferketten, was die Kosten erhöht und zu Verzögerungen bei Rohstoffen und verarbeiteten Produkten führt. Volkswirte grübeln über Szenarien, wie es weitergehen könnte.

Goldman Sachs sieht den Ölpreis im dritten Quartal bei 100 Dollar und schätzt, ein Anstieg um 50 Prozent dürfte die Inflation um 60 Basispunkte ansteigen lassen, wobei Schwellenländer am stärksten betroffen wären.

"Angesicht von Inflation auf einem Mehrjahrzehnthoch und noch nie dagewesener Unsicherheit bezüglich der Inflationsaussichten ist das Letzte, was die sich erholende Weltwirtschaft braucht, ein weiterer Anstieg der Energiepreise", so die HSBC-Volkswirte Janet Henry und James Pomeroy. "Doch das ist, was sie bekommt."

Sicher ist die Weltwirtschaft nicht mehr der Ölfresser, der sie in den 1970er Jahren war und alternative Energien bieten einen Puffer. Auch sind die Ersparnisse der Haushalte hoch und die Löhne steigen angesichts des angespannten Arbeitsmarkts.

Ölproduzenten als Gewinner

In den USA sorgt die Schieferölindustrie dafür, dass die Wirtschaft weniger anfällig ist: Zwar zahlen Verbraucher mehr für Benzin, heimische Produzenten verdienen aber auch mehr.

Auch andere Ölproduzenten werden Grund zum Feiern haben. Russlands Haushalt etwa könnte in diesem Jahr über 65 Milliarden Dollar (57 Milliarden Euro) an zusätzlichen Einnahmen verzeichnen, was dem Kreml helfen würde, mögliche Sanktionen wegen der Ukraine abzufedern. Andere Schwellenländer würden davon profitieren, ebenso wie Kanada und die Volkswirtschaften des Nahen Ostens.

Für die meisten Verbraucher und die Zentralbanken hängt jedoch viel davon ab, wie schnell und hoch Energiepreise steigen, insbesondere, wenn die Wirtschaft weltweit an Schwung verliert.

"Ein schneller Anstieg kann in einigen Ländern das Risiko einer Rezession erhöhen, vor allem, wenn die Finanzpolitik ebenfalls deutlich gestrafft wird", sagte Priyanka Kishore von Oxford Economics. Sie schätzt, jeder Anstieg des Ölpreises um 10 Dollar dürfte das Wachstum der Weltwirtschaft um etwa 0,2 Prozentpunkte senken.

"Hoffentlich", so Kishore, "ist das nicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt."

(Bloomberg)