Die Aktienmärkte sind momentan stimmungsmässig hin und her gerissen zwischen den neusten Höchstständen an Corona-Infektionen und den mehrheitlich besser als erwartet ausfallenden Halbjahresergebnissen der Unternehmen.

Tendenziell überwiegt eine sehr positive Stimmung. Der US-Technologieindex Nasdaq erklimmt neue Rekordstände und auch der defensive Swiss Market Index ist nur noch zwei Prozent vom Stand von Anfang Jahr entfernt.

Die Börsen preisen eine V-Erholung der Konjunkturentwicklung ein. Doch in den kommenden Wochen wird die Unsicherheit an den Märkten zunehmen. Denn die US-Staatshilfen, der sogenannten CARES Act, kommen Ende Juli zu einem abrupten Ende. "Kaum ist das Geschachere ums Geld in Europa beendet, geht's auf der anderen Seite des Atlantiks wieder los", sagt ein Händler, der den tagelangen EU-Gipfel um Coronahilfen in Erinnerung ruft.

Arbeitslosengeld aufgestockt

In der Corona-Krise erhalten 25 Millionen arbeitslose US-Amerikaner dank dem Notprogramm zusätzlich 600 Dollar pro Woche. Das Arbeitslosengeld wurde zur Krisenbekämpfung extra aufgestockt. Manche erhielten so mehr Geld als in ihrem verlorenen Job.

Dieser Zustupf endet am 31. Juli. Zur Erinnerung: Im US-Staat Massachusetts sind 17 Prozent ohne Arbeit und in der Grossstadt New York sogar jeder fünfte.

Mit den üblichen staatlichen Arbeitslosengeldern wird es für Betroffene sehr hart. Durchschnittlich 333 Dollar pro Woche bekommt ein Arbeitsloser, im Bundesstaat Oklahoma sogar nur 100 Dollar.

Und das einmalige "Helikoptergeld" von rund 1200 Dollar für jedermann ist vermutlich schon lange aufgebraucht. Eine gewichtige Stütze für den US-Konsum droht wegzufallen. Die Einzelhandelsumsätze erholten sich im Mai auch dank dem Notprogramm nach den Tiefstständen im März und April kräftig und waren auch im Juni stark.

US-Kreditdienstleister drohen Zahlungsausfälle

Das Auslaufen des Notprogramms ist auch für Kreditdienstleister wie American Express oder Discover von Bedeutung. Ohne neues Notprogramm droht ein Anstieg von Privatinsolvenzen. Insgesamt 930 Milliarden Dollar Kreditkartenschulden haben die Amerikaner aktuell. Der letzte Höhepunkt war 2008 mit 870 Milliarden während der Finanzkrise. 5,32 Prozent aller Kreditkartenhalter haben schon jetzt einen Zahlungsrückstand von 90 Tagen und mehr.

Und dies ist nicht alles: Die Zahlungspause für Studentenkredite endet für 45 Millionen Amerikaner im September. Experten warnen auch hier vor Zahlungsausfällen. Auch für den Privatkonsum stellt die Situation ein Problem dar. Insbesondere Einzelhandelsunternehmen wie Kohl’s oder GAP könnten bei keinem Ersatz des CARES Act Umsatzrückgange verzeichnen.

Auch von einer anderen Front Ungemach. Zahlungsunfähige Bewohner dürfen seit Juli in den meisten Staaten aus ihren Häusern wieder vertrieben werden. Das Räumungsmoratorium läuft aus. Insgesamt 40 Millionen Menschen könnten ihr Zuhause in den kommenden Monaten verlieren. Dies lässt Erinnerungen von 2008 aufkommen, wo im Nachgang der Finanzkrise US-Amerikaner wegen ihrer Arbeitslosigkeit in grosser Zahl in ihren Autos wohnen mussten.

Ein neues Notprogramm muss her

Es droht eine Klippe, Absturz oder Schlimmeres, nicht nur für die Menschen, sondern auch für die US-Wirtschaft. Seit dieser Woche tagt der komplette US-Kongress, Senat und Repräsentantenhaus, in Washington wieder. 

Die Demokraten haben im Mai im Repräsentantenhaus schon einmal vorgelegt: Der HEROES Act umfasst 3 Billionen Dollar und sieht eine Fortsetzung des noch bestehenden Programms vor. Präsident Donald Trump nannte das Programm zwar "dead on arrival", doch im aktuellen Umfeld von hohen Corona-Fallzahlen, hoher Arbeitslosigkeit und schlechter Wirtschaftslage ist sein Handlungsspielraum in dieser Sache beschränkt.

Ansonsten droht mit grosser Wahrscheinlichkeit die Anleger-Fantasie von einer V-Erholung an der harten Realität zu zerplatzen – nicht nur in den USA, sondern mittels der weltwirtschaftlichen Verknüpfungen und der bestehenden Bedeutung der USA für die Weltwirtschaft auch in der Schweiz. Der JP Morgan US-Chefökonom warnt: "Wenn der US-Kongress dies versaut, wird dies ein ziemlich grosser Rückschlag für die Wirtschaft."

Mit Material des Wirtschafts- und Finanznachrichtensenders CNBC.

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