Diesen Sonntag, den 29. November, wird über die so genannte Konzernverantwortungsinitiative abgestimmt. Der offizielle Name lautet dabei "Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt". Schweizer Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, soziale Aspekte, Menschenrechte und Umweltvorgaben nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit einzuhalten.
Bei der cash-Leserschaft hat die Initiative wenig Chancen, wie eine zweite und am letzten Mittwoch gestartete Online-Umfrage des grössten Schweizer Wirtschafts- und Finanzportals zeigt. Von über 6000 Personen, die ihre Meinung auf cash.ch kundtaten, sind 71 Prozent dagegen und bloss 29 Prozent dafür.
Damit verstärkte sich der Meinungstrend deutlich. Bereits im Juni befragte cash.ch seine Leserinnen und Leser in einer (nicht-repräsentativen) Online-Umfrage zum Volksbegehren. Damals waren 59 Prozent von über 5000 Personen dagegen, 41 Prozent unterstützten den Gedanken der Initiative.
Die Resultate stehen im Gegensatz zum allgemeinen Trend. Gesamtschweizerisch bekam die Konzernverantwortungs-Initiative noch Mitte Oktober breite Zustimmung. Die erste SRG-Trendumfrage zeigte, dass eine deutliche Mehrheit von 63 Prozent "bestimmt" oder "eher" Ja gestimmt hätte. Nur ein Drittel äusserte sich mit "bestimmt" oder "eher" Nein zur Vorlage.
Der beobachtbare Nein-Trend bei den cash-Umfragen ist aber nichts Aussergewöhnliches. Ein hoher Ja-Stimmen-Anteil ist zu Beginn eines Abstimmungskampes typisch für Schweizer Volksinitiativen. Das trifft auch für die Konzernverantwortungsinitiative zu. Wenn sich die Leute immer mehr mit den Schwächen einer Initiative auseinandersetzen, schwindet der anfängliche Sympathie-Bonus.
Zudem hat das Parlament zwischen den beiden Online-Umfragen von cash.ch einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet, der auch vom Bundesrat unterstützt wird. Dieser tritt nur in Kraft, wenn die Initiative selbst abgelehnt wird und kein Referendum gegen ihn zustande kommt. Mit diesem werden die Schweizer Unternehmen von Gesetzes wegen zu mehr Transparenz verpflichtet. Eher "schwankende" Befürworter können somit ohne Gewissensbisse ein "Nein" in die Urne legen. Steht doch ein Gesetzestext bereit, der den Grundgedanken der Initiative aufnimmt.
Der in den cash-Umfragen beobachtbare Nein-Trend ist auch bei den SRG-Erhebungungen beobachtbar. Die zweite SRG-Trendumfrage von Anfang November zeigte, dass damals "nur" noch 57 Prozent der befragten Personen "bestimmt" oder "eher" für die Initiative gewesen wären. Der Ja-Anteil hatte sich somit zwischen Mitte Oktober und Anfang November um 6 Prozentpunkte verringert. Der Nein-Anteil war hingegen um 8 Prozentpunkte auf 41 Prozent gestiegen.
Der Ausgang der stark zwischen links und rechts polarisierenden Konzernverantwortungsinitiative bleibt offen. Zumal die Abstimmung mitten in die Corona-Krise fällt, wo die Angst vor Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlust verbreitet ist. Das Argument der Initiativgegner, dass die vorgeschlagenen Massnahmen Unternehmen einschränkten und Arbeitsplätze gefährdeten, könnte daher auf der Schlussgerade noch an Bedeutung gewonnen haben.
Vielleicht liegt aber die nicht-repräsentative cash-Umfrage wie in früheren Abstimmungen wieder richtig und der Nein-Anteil wird höher sein, als dies allgemein erwartet wird. Die "1:12-Abstimmung" beispielsweise, welche die Lohnunterschiede in Unternehmen regulieren wollte, wurde 2013 an der Urne mit 65 Prozent abgelehnt: In einer cash-Umfrage war davor fast das gleiche Resultat herausgekommen.