Ein Land im Blockchain-Fieber: Sowohl Prinzregent Alois als auch Regierungschef Adrian Hasler machen sich für Liechtenstein als Krypto-Standort stark. Ende Juli wurde ein eigenes Blockchain-Gesetz präsentiert, das Mitte 2019 in Kraft treten soll. Nun droht Vaduz dem "Crypto Valley" Kanton Zug den Status als Blockchain-Adresse Nummer eins wegzuschnappen. Einige Zuger Blockchain-Firmen liebäugeln bereits mit einem Umzug nach Vaduz. So hat etwa der Broker Bitcoin Suisse gegenüber der "Handelszeitung" einen Wechsel nach Liechtenstein nicht ausgeschlossen.

Eine treibende Kraft hinter dem Krypto-Standort Liechtenstein ist der Rechtsanwalt und Softwareentwickler Thomas Nägele. Sein Rechtsanwalt-Büro in Vaduz berät Blockchain-Start-ups, ausserdem hat er verschiedene Initiativen in diesem Bereich angestossen, etwa die liechtensteinische "Crypto Country Association" und das "House of Blockchain" in Vaduz. Auch bei der Ausarbeitung des Blockchain-Gesetzes war er beteiligt.

cash hat sich mit Nägele über die Vorteile des Blockchain-Standortes Vaduz, die Rechtsgrundlage in der Schweiz, das Verhältnis zwischen Vaduz und Zug und die Zukunft der Blockchain-Technologie unterhalten.

cash: Herr Nägele, ist Liechtenstein das weltweit Blockchain-freundlichste Land?

Thomas Nägele: Jeden Tag kommen Firmen zu uns, die verschiedene Standorte evaluieren und vergleichen. Sie sagen, dass sie in Gibraltar, Malta, Singapur und der Schweiz waren, jetzt noch Liechtenstein prüfen und sich dann das Land mit der besten Jurisdiktion aussuchen werden. Äusserst selten entscheidet sich dann ein Krypto-Start-up gegen Liechtenstein. Von dem her schliesse ich, dass wir zumindest sehr Blockchain-freundlich sind.

Und wie sieht der Direktvergleich mit der Schweiz aus, die ja ebenfalls als sehr fortschrittlich gilt in diesem Bereich?

Beide Standorte haben ihre Vor- und Nachteile. In der Beratung der Unternehmen nehme ich wahr, dass je nach Geschäftsmodell die Schweiz oder Liechtenstein interessanter sein kann.

Was spricht konkret für Liechtenstein?

Liechtenstein ist im Gegensatz zur Schweiz Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes EWR. Das ermöglicht den Marktzugang zur Europäischen Union, im Finanzdienstleistungsbereich wird dies 'Passporting' genannt. Aber auch ein grosser Teil des Rechtsrahmens wird von der EU übernommen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Viele Geschäftsmodelle setzen derzeit auf Stablecoins (Anmerkung der Red.: Darunter versteht man digitale Kryptowährungen, die zum Zwecke einer grösseren Stabilität an einen realen Wert, etwa Gold oder US-Dollar, gebunden sind). Liechtenstein hat die E-Geld-Richtlinie der EU umgesetzt. Sind gewisse Parameter erfüllt, fallen Start-Ups unter dieses E-Geld-Regime, was das Geschäft bewilligungspflichtig macht.

Was nützt diese Bewilligung den Firmen?

Ich als Krypto-Jungunternehmen kann jetzt in Liechtenstein das E-Geld-Label erhalten, welches mir den einfachen EU-Zugang ermöglicht. Andere wiederum sehen aber in diesem Label keinen Mehrwert und scheuen den hohen Aufwand, der mit der Beantragung der Bewilligung verbunden ist. Für diesen Fall wäre eine Ansiedlung in der Schweiz unter Umständen besser geeignet, die dieses E-Geld-Regime nicht kennt. Hier ist dann aber insbesondere die Anwendung des Bankengesetzes zu prüfen.

Also hat die Schweiz durchaus auch Vorteile?

Man muss Fall für Fall schauen, welcher Standort mehr Sinn macht. Im Grossen und Ganzen funktionieren beide Jurisdiktionen sehr gut. Die Schweiz hat sich einen zeitlichen Vorsprung herausgearbeitet und bereits sehr viel Erfahrung gesammelt.  Bezüglich rechtlichen Grundlagen im Krypto-Bereich gibt es zumindest auf nicht-staatlicher Ebene einen Austausch zwischen den beiden Ländern.

Liechtenstein hat diesen Sommer ein Blockchain-Gesetz präsentiert, welches im Sommer 2019 in Kraft treten wird. Sie haben am Gesetz mitgearbeitet. Was ist der Zweck?

Mit dem Gesetz möchten wir den Kundenschutz verbessern und die Rechtsgrundlage für die Token-Ökonomie schaffen. Es geht aber auch darum, den Blockchain-Unternehmen Rechtsicherheit zu gewähren. Sie sollen einen Standort haben, der reguliert,  wo es notwendig ist. Aber gleichzeitig auch neue Geschäftsmodelle ermöglicht, anstatt diese zu verhindern. Das sendet die klare Botschaft, dass wir die Blockchain-Projekte im Land möchten.

Sowohl Liechtensteins Regierungschef Adrian Hasler als auch Prinzregent Alois bekennen sich zum Krypto-Standort Liechtenstein. Gibt es gar keinen Widerstand im Land?

Natürlich gibt es auch bei uns Bedenkenträger. Aber das ist auch richtig und wichtig. Das Gefährlichste ist, wenn man gar nichts mehr in Frage stellt, sondern nur noch grünes Licht bekommt. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Gesetzesentwurf der Regierung liegt vor, er wird hoffentlich noch im August in die Vernehmlassung geschickt. Danach kommen Stellungnahmen der betroffenen Verbände, des Bankenverbandes, der Finanzmarktaufsicht und so weiter. Dann wird man einen besseren Eindruck über das Stimmungsbild bekommen.

Wie sieht die Rechtsgrundlage in der Schweiz aus?

Aus der Schweiz habe ich bereits Stimmen gehört, dass die Blockchain-Thematik mit dem bestehenden Recht gut zu bewältigen sei. Wir hingegen sagen, dass man mittels eines Spezialgesetzes mehr Rechtssicherheit schaffen kann. So können wir etwa rechtlich genau definieren, was ein Token ist.

Einige in der Schweiz ansässige Blockchain-Firmen spielen offen mit dem Gedanken, nach Liechtenstein zu gehen. Der Standortwettbewerb scheint gross zu sein.

Die Schweiz war natürlich im Blockchain-Bereich lange alleine, zumindest in Mitteleuropa. Jetzt kommt der kleine Nachbar mit der gleichen Währung, der ein Gesetz rausbringt. Das zieht natürlich Geschäfte an. Aber wir sehen, dass viele Projekte, die in Liechtenstein ihren Hauptsitz haben, dann in einem zweiten Schritt auch den Schritt ins 'Crypto Valley' in Zug wagen.

Wie ist ihr Verhältnis zum 'Crypto Valley' Zug, tauscht man sich gegenseitig aus?

Unsere Kanzlei hat einen wöchentlichen, wenn nicht täglichen Austausch mit Schweizer Anwälten. Der Wettbewerbsgedanke steht dabei nicht im Vordergrund. Das hat auch damit zu tun, dass der Kuchen ganz einfach gross genug ist. Wenn man Expertise in diesem Bereich hat, muss man sich nicht vor zu wenig Arbeit fürchten. Das mag sich vielleicht in einer späteren Phase ändern.

Und wie nehmen das die Blockchain-Firmen wahr?

Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber die Startups haben grundsätzlich eine wenig-kompetitive Einstellung. Viele Projekte stellen ihre Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung. Andere können dann die Software aufnehmen und für die eigenen Projekte anpassen. Das ganze Blockchain-Ökosystem hebt sich von der Denkweise her vom klassischen Finanzmarkt ab.

Auffällig viele Krypto-Unternehmen gehen zur liechtensteinischen Bank Frick. Wieso?

Krypto-Firmen haben Probleme, überhaupt ein Konto zu eröffnen, da viele Banken sie ablehnen. Die Bank Frick ist als eine von wenigen Banken den Krypto-Firmen gegenüber sehr freundlich gesinnt und hat in diesem Bereich bereits ein beachtliches Know-how aufgebaut. Entsprechend wird sie von Anfragen regelrecht überrannt.

Im Zusammenhang mit den Initial Coin Offerings oder ICO - es handelt sich dabei um eine Form der Mittelbeschaffung für Kryptofirmen - fürchten sich Banken oft vor dem Geldwäschereiproblem, da die Herkunft der Gelder nicht genau eruierbar ist.

Ich glaube nicht, dass die Geldwäschereiproblematik für die Banken das grösste Problem ist. Im Rahmen von ICOs sehen wir Projekte, welche die  'Know Your Cosumer'- und die 'Anti-Money-Laundering'-Richtlinien rigide anwenden. Sie identifizieren ihre Kunden ab dem ersten Franken. Ab 5000 Franken erfolgt die Nachfrage nach der Mittelherkunft plus eine Video-Identifikation. Ab 100'000 Franken gibt es ein längeres Gespräch mit tiefergehender Herkunftsprüfung.

Aber Krypto-Firmen sind nicht verpflichtet, solche Prüfungen durchzuführen.

Wenn überhaupt kein Finanzintermediär involviert ist und man nur Krypto gegen Krypto tauscht, wäre man tatsächlich per se nicht sorgfaltspflichtig. Aber das ist zu kurz gedacht. Irgendwann muss das Startup seine Mittel in 'Fiat'-Währungen wie Dollar oder Franken ausgeben können. Etwa dann, wenn man Mitarbeiter in Franken bezahlen will oder weshalb auch immer. Dann braucht es ein Bankkonto. Und dieses gibt es nur, wenn man eben diese Richtlinien einhält.

Am Krypto-Standort Liechtenstein sticht die Firma Aeternity heraus, die als erstes Blockchain-Unicorn des Landes gilt, das heisst einen Wert von über einer Milliarde Dollar besitzt. Werden weitere bald folgen?

Wir haben momentan einige sehr spannende Projekte, die das Potenzial haben, solche Grössenordnungen zu erreichen. Aber diese können noch nicht öffentlich kommuniziert werden.

Das House of Blockchain, ein Gemeinschaftsbüro für Blockchain-Projekte in Vaduz, war ihre Idee. Im Mai startete es mit 10 Projekten. Wie ist der Stand jetzt?

Die Idee dahinter war, unseren Arbeitsplatz dort zu haben,  wo wir das ganze Blockchain-Thema nahe miterleben können. Beim Eingangsbereich haben wir einen Bitcoin-Automat, unsere Kanzlei ist im ersten Stock. Eine Etage höher hat Aeternity ihre Räumlichkeiten und im dritten Stock ist der Co-Working-Bereich für verschiedene Start-ups, der mittlerweile fast vollständig ausgebucht ist. So findet ein reger Austausch untereinander statt, was extrem wertvoll ist.

Wie sehen Sie die Zukunft von Blockchain?

Ich glaube an das Potenzial der Technologie. Sie ermöglicht es, ohne die Teilnahme von Intermediären Transaktionen durchzuführen. Das bedeutet nicht, dass wir künftig gar keine Finanzintermediäre mehr brauchen werden. Aber für einen grossen Teil der Transaktionen könnte dieser überflüssig werden. Das wird uns allen das Leben erleichtern und uns mehr Zeit für die Sachen geben, die abseits der Blockchain Spass machen.

Und welche Kryptowährungen werden sich durchsetzen?

Ich vermag keine Prognose zu stellen, ob und welche Kryptowährungen es in zehn Jahren noch gibt.

Aber sie selber benutzen Kryptowährungen?

Ja, man kann in unserer Kanzlei sogar mit Bitcoin und Ether bezahlen.