cash: Im Geschäftsjahr 2012/13 ging der Umsatz 0,6 Prozent zurück. Was waren die Gründe?

François Gabella: Im ersten Quartal konnten wir zulegen, aber dann stockte in Europa die Wirtschaft wieder. In den folgenden zwei Quartalen war der Umsatz rückläufig. Und im vierten Quartal konnten wir uns wieder stabilisieren. Die Bestellungen liefen gegen Ende des Geschäftsjahres wieder besser, was uns Hoffnung gibt. Aber wir machen noch keine Freudensprünge. Ich wäre nicht überrascht, wenn sich in Europa die Krise wieder verschärfen würde. Ich habe deshalb mehr Vertrauen in China. Wie man beim Besuch des chinesischen Premierministers in der Schweiz sehen konnte, ist China in der Lage, das Wachstum wieder anzukurbeln. Alles in allem sehe ich weltweit eine langsame, aber positive Entwicklung.

China ist für Lem der am stärksten wachsende Markt im Automobilsegment. Wie sind dort die Zukunftsaussichten?

Die chinesische Autoproduktion ist zweigeteilt. Zum einen gibt es die Autos von General Motors, VW oder die japanischen Modelle, die aber alle im Ursprungsland entwickelt werden. Als Zweites gibt es den wachsenden Markt mit rein chinesischen Modellen. Wir arbeiten direkt mit diesen chinesischen Unternehmen zusammen und produzieren die entsprechenden Teile vor Ort. Das ist ziemlich bemerkenswert. Denn der Automarkt ist in Bezug auf Qualität, Lieferung oder Bussen der härteste, den es gibt. Wenn du als Firma da etwas vermasselst, bist du aus dem Markt raus. Diesbezüglich hat Lem eine Menge gelernt und sich in China einen guten Namen aufgebaut.

Wie beurteilen Sie die Zukunft von «grünen» Autos in China?

Wenn man den Zeitungen glaubt, dann wird sich der Absatz von Hybrid- oder Elektroautos verzehnfachen. Aber schlussendlich hängt es von den Konsumenten ab, und die "grünen" Autos sind teurer als herkömmliche Modelle. Ich traue deshalb diesen Zahlen nicht ganz. Aber wir sind bereit, wenn die Nachfrage zunimmt. Die Regierung könnte diese beschleunigen, wenn sie beispielsweise keine Benzin- oder Diesel-Autos mehr in den Innenstädten erlauben würde.

Profitieren sie vom Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China?

Das Abkommen zwischen China und der Schweiz ist ein grosser Erfolg. Klar profitieren wir davon. Wir bezahlen 7 bis 8 Prozent weniger Zoll auf unsere Exporte nach China. Aber man darf nicht vergessen, dass China die Schweiz auch benutzt, um seine strategische Position in Europa zu verbessern.

Europa ist für Lem im Industriesegment immer noch der grösste Markt. Wie stark ist Lem von der Schuldenkrise betroffen?

Es gibt zwei Europas: den Norden und den Süden. Deutschland, der für uns wichtigste Markt, hatte im letzten Jahr auch Mühe, scheint sich aber zu erholen. Auf der anderen Seite haben wir Frankreich, Italien oder Spanien. Und zum Glück verkaufen wir nicht nach Griechenland.

Wie stark leiden sie unter dem starken Franken?

Der starke Franken hilft uns nicht. Die Währung ist ein Nachteil für den Standort Schweiz, aber wir beachten auch andere Faktoren wie Produktivität oder Effizienz, die für die Schweiz sprechen.

Würden Sie denn eine höhere Euro-Franken-Untergrenze befürworten?

Die Schweizer Wirtschaft ist im internationalen Vergleich sehr stark und die Währung widerspiegelt das. Ich hoffe, dass der Wechselkurs wieder steigt, aber ich glaube nicht daran. Mittelfristig wird der Franken unter Druck bleiben. Trotzdem bin ich dafür, dass man die Untergrenze irgendwann aufgibt, aber mit der Androhung, sie jederzeit wieder einzuführen. Denn der Mindestkurs ist eigentlich unnatürlich. Das Schreckensszenario wäre dann, dass der Franken gleichzeitig von vielen Seiten attackiert würde. Dennoch: Zurzeit macht die Schweizerische Nationalbank einen ausgezeichneten Job.

Vor zwei Monaten sind sie ins neue Geschäftsjahr gestartet. Wie ist es angelaufen?

Wir kommentieren den Jahresbeginn eigentlich nicht. Wir sehen aber, dass sich die Märkte leicht positiv entwickeln. Das löst keine Panik aus, wir erwarten aber auch keine Wunder.