Angesichts der ins Stocken gekommenen Brexit-Gespräche hatte Premier Boris Johnson am Freitag ankündigt, sich nun auf die Vorbereitungen zu einem EU-Ausstieg ohne Handelsdeal zu konzentrieren. Er signalisierte allerdings auch erneute Verhandlungsbereitschaft, sollte es bei den Positionen der EU Bewegung geben.

Die EU sieht durch den von Johnson auf den Weg gebrachten Binnenmarktgesetz-Entwurf das bestehende Austrittsabkommen Grossbritanniens mit der Union verletzt. Brüssel hat diesbezüglich gegen London den Rechtsweg eingeschlagen.

Die EU-Spitzen haben Johnson gedrängt, umstrittene Klauseln für den Handel mit Nordirland fallen zu lassen. Bislang hat er sich geweigert. Das Gesetz soll Grossbritanniens Ministern das Recht einräumen, die Regeln im Handel mit Nordirland zu ändern. Dies ist heikel, da EU und Grossbritannien die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland vermeiden wollen.

Diskussion im Oberhaus

Nachdem das Unterhaus dem Gesetz grünes Licht gegeben hat, beginnt am heutigen Montag die Erörterung im Oberhaus. Hier haben Johnsons Tories im Gegensatz zum House of Commons keine Mehrheit.

Wie zu hören ist, dürfte der Gesetzentwurf von den Lords in dieser Woche wohl nicht in Gänze abgelehnt werden. Allerdings sollten die umstrittensten Teile in den nächsten Wochen voraussichtlich herausgenommen werden, insbesondere Klauseln, die internationales Recht brechen.

Sollte Johnson einen zufriedenstellenden Handelsdeal mit der EU erreichen, dürfte er, so die Erwartung der informierten Personen, die umstrittensten Teile des Binnenmarktgesetzes abschwächen oder fallen lassen.

Gesetz als Verhandlungstaktik

Eine der informierten Personen deutete an, das Gesetz sei von Beginn an als Verhandlungstaktik gedacht gewesen. Von anderer informierter Stelle war zu hören, die Minister seien zu zusätzlichen Garantien bereit, um die umstrittensten Regelungen zu verwässern.

Grossbritanniens Staatsminister Michael Gove wird am heutigen Montag in einer gemeinsamen Ausschusssitzung mit EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic Gespräche über die vom neuen Gesetz abgedeckten Themen führen. Johnsons Chefunterhändler, David Frost, soll Anfang der Woche mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier den Stand der Dinge besprechen.

(Bloomberg)