Die Trauergeschichte um die Aktienkurse der Schweizer Grossbanken ist bekannt. Die Titel der UBS und Credit Suisse kämpfen darum, dass sie überhaupt noch eine zweistellige Zahl auf dem Preisschild haben. Was hierzulande nicht so bekannt ist: Der europäischen Konkurrenz geht’s nicht minder übel: Die Aktie der britischen Traditionsbank HSBC zum Beispiel erreichte diese Woche den tiefsten Stand seit 25 Jahren. Und dies, obwohl die Unternehmen anständige Gewinne schreiben.
So richtig deutlich wird das Ausmass des Kursmalaise aber, wenn man sich die Investorenkennzahlen der europäischen Bankaktien anschaut. Und, vor allem: Wenn die Banken in einen Sektorenvergleich gestellt werden.
Das sieht dann so aus: Mit einem Anteil von fast 14 Prozent hielten die Banken noch Anfang 2018 die stolze Position Eins im "Stoxx Europe 600" Index. Jetzt, nicht einmal drei Jahre später, liegen die Banken bloss noch auf Rang vier in der Rangliste der Sektoren. Ihr Anteil am Gesamtindex ist auf 7 Prozent zusammengeschmolzen. Oder anders gesagt: Die 39 Bankaktien im Index haben in nicht einmal drei Jahren einen Börsenwert von über 1 Billion Franken vernichtet, wie Bloomberg vorrechnet.
Absehbar ist, dass sich der Bedeutungsverlust der Banken fortsetzt und die Branche bald auf Index-Platz sechs abrutscht. Denn sogar die wenig glamurösen Sektoren Chemie und Versicherungen ziehen mittlerweile mehr Investorengelder an. Und ja: Europas neue Börsenkönige sind Pharma (Anteilsteigerung von 13 Prozent auf 22 Prozent im Stoxx-Index), gefolgt von den Sektoren Industrie und der aufstrebenden Technologie.
Wie tief die Erwartungen der Investoren an die Banken mittlerweile sind, zeigt auf erschreckende Weise auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Dieses impliziert einen weiteren Kursverlust von 60 Prozent für den Europa-Bankensektor. «Es würde einen Krieg brauchen, um nochmals so viel Börsenwert von Banken auszuradieren», merkt das Analysehaus Alphavalue sarkastisch und etwas fassungslos an.
Mitten in diese Tristesse platzen nun – wieder einmal - Spekulationen von Grossfusionen und -übernahmen im europäischen Finanzsektor. Und mitten drin stehen die Bankenchefs und nicken dies eifrig ab: Bankenfusionen ergeben "sehr viel Sinn" (Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein), die Konsolidierung der Branche ist "unvermeidlich" (UBS-CEO Sergio Ermotti). Und ganz offensichtlich sind die Pläne einer Fusion von UBS und Credit Suisse schon ordentlich vorangeschritten.
Aber würde ein solcher Zusammenschluss tatsächlich Sinn machen? Die Bankenchefs scheinen zunächst etwas zu vergessen, was jedem Mergers-&-Acquisitions-Studenten eingetrichtert wird: Dass Zusammenschlüsse von zwei schwächelnden und zumal noch sich ähnelnden Unternehmen kaum der Logik entsprechen. Oder anders ausgedrückt: Aus zwei lahmenden Rössern wird nicht plötzlich ein Rennpferd.
Denn bei den Schweizer Grossbanken harzt es an denselben Stellen. Sie schieben seit Jahren einen viel zu grossen Kostenblock vor sich her. Und sie haben, noch viel belastender, ein Problem auf der Ertragsseite. Gerade die UBS, die Nummer Eins im weltumspannenden Vermögensverwaltungsgeschäft, verwaltet das Private Banking eher als dass sie das Business zu dynamischen Wachstum führt.
Beide Banken haben einen Umbau seit der Finanzkrise zudem nur halbherzig umgesetzt und sie haben sich dem überholten Modell der Universalbank verschrieben. Man wird das Gefühl nicht los: Der Applaus der Bankenchefs zu Fusionen ist ein Eingeständnis, dass man weder fähig noch willens ist, die Probleme alleine anzugehen.
Statt einer Fusion UBS-CS sind andere Szenarien und Überlegungen wahrscheinlicher und aus Aktionärssicht langfristig sinnvoller: Die Banken ergreifen endlich selber die Initiative und konzentrieren sich auf einzelne Kerngeschäfte. Oder ein ausländischer Player tritt auf den Plan und übernimmt die Aufgabe des Filetierens selber: Das Vermögensverwaltungsgeschäft wird behalten, der Rest wird verkauft. Der Übernahmepreis ist ja längst kein Hindernis mehr. Siehe oben.