Rund 77 Prozent Teilnehmer einer Umfrage erwarten in den nächsten zwölf Monaten eine höhere Inflation in den Schwellenländern, und 38 Prozent der Befragten gehen sogar von steigenden Leitzinsen in den nächsten drei Monaten aus. Das ist das Resultat des "HSBC Emerging Markets Sentiment Survey". Für die Umfrage wurden 164 Investoren von 152 Institutionen befragt.

Auch folgender Auswertungsaspekt der Umfrage lässt aufhorchen: Bloss 34 Prozent der Anleger schätzen die Aussichten für die Schwellenländer in den nächsten drei Monaten optimistisch ein. Zum Jahreswechsel war das noch bei 73 Prozent der Fall.

"Nahezu die Hälfte der Investoren identifizieren Inflation sowie höhere Zinsen in den USA weltweit als das grösste Risiko für den Ausblick für Schwellenländer", sagt Murat Ulgen, globaler Analyse-Leiter Schwellenländer bei HSBC. Im April war die Inflationsrate in den USA überraschend auf 4,2 Prozent hochgeschnellt.

Eine Umkehr der jahrelang ultralockeren Geldpolitik der Zentralbanken schwebt in der Tat wie ein Damoklesschwert über den Märkten. Doch bevor eine Notenbank die Zinsen anhebt, muss sie erst kommunizieren, dass sie die Wertpapierkäufe einstellen oder zurückfahren könnte. Derzeit kauft die Fed pro Monat Wertpapiere in einem Volumen von 120 Milliarden Dollar zur Stützung der amerikanischen Wirtschaft. Doch innerhalb der US-Notenbank Fed will offenbar eine Gruppe von Notenbankern bald eine Debatte über das Abschmelzen der Konjunkturhilfen anstossen, wie Mitte Woche bekannt wurde.

Befürchtungen vor einem neuen Ausverkauf

Bereits Andeutungen der Notenbanken zu einer milden Straffung der Geldpolitik führten in den letzten Jahren zu Verwerfungen an den Märkten. So 2013. Der damalige Notenbank-Chef Ben Bernanke hatte in einer Anhörung im US-Kongress beiläufig die Bemerkung fallengelassen, die Fed könnte bei anhaltend positiven Wirtschaftsdaten ihre Wertpapierkäufe schrittweise zurückfahren.

Es kam einem Ausverkauf von Investments in Schwellenländern. Und die Panik schwappte auf die Börsen über. Der Swiss Market Index verlor in wenigen Wochen rund 15 Prozent seines Wertes. Die Phase ging als "Taper Tantrum" in die Geschichte der Finanzmärkte ein, einer Wutreaktion auf die Andeutung einer strafferen Geldpolitik. Eigentlich ist "Taper Tantrum" ("taper off" heisst im englischen "auslaufen" oder "allmählich nachlassen") ein Wortspiel mit dem Ausdruck "Temper Tantrum". Dies bezeichnet den Wutanfall von Kindern, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen.

In solche Bernanke-Fettnäpfchen will Fed-Chef Jerome Powell nicht treten. Die Fed werde ihre Strategie so klar und transparent wie nur möglich kommunizieren, um die Erwartungen zu steuern und Turbulenzen zu vermeiden. Das sagte Powell bereits an einer Veranstaltung der Schweizerischen Nationalbank im Mai 2018 in Zürich. 

Aber wie ersaunlich unbedacht selbst erfahrene Notenbanker in der Kommunikation sind, stellte die ehemalige Fed-Chefin und heutige US-Finanzministerin Janet Yellen vor drei Wochen eindrücklich unter Beweis. An einer Veranstaltung hatte sie mit nur einem Satz für einen Kurssturz an den Börsen gesorgt: "Es könnte sein, dass die Zinsen etwas ansteigen müssen, damit sichergestellt ist, dass unsere Wirtschaft nicht überhitzt." Den Satz musste Yellen nur Stunden später relativieren.