Der Aktienmarkt in Dubai notiert um 7 Prozent höher als Anfang Jahr. Die immer stärker beachtete Börse von Kuwait hat 15,5 Prozent zugelegt. Am Qatar Stock Exchange hat der Total Return Index ein Plus von fast 20 Prozent geschafft. Im Vergleich dazu haben die grossen Indices in der Schweiz, Deutschland oder Amerika Year-to-Date zwischen 6 und 10 Prozent verloren.
Die Golf-Börsen haben von den steigenden Ölpreisen profitiert. Auf Schwellenländer spezialisierte Fonds haben ihr Exposure in der Region ausgebaut. Auch die MSCI-Indexprodukte für die Emerging Markets erhöhen die Gewichtung dieser Länder. Analysten von Morgan Stanley erwarten, dass 82 Milliarden Dollar internationalen Geldes in diese Märkte fliessen werden. Die US-Bank ist nun bei Märkten wie Qatar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und Saudi-Arabien übergewichtet.
Morgan Stanley erwartet wegen "fundamentaler, struktureller und technischer" Gründe eine weiter Überperformance dieser Aktienmärkte. Unter den Regionen Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika sieht Morgan Stanley die Golfregion als die vielversprechendste.
Reformen: Licht und Schatten
Die Bank nennt auch "weiter laufende Reformen" als Pluspunkt für diese Staaten. Damit spricht Morgan Stanley aber auch indirekt - oder ungewollt - das politische Risiko dieser Länder an. Veränderungen erleben diese Länder mit einer oft relativ jungen und mehrsprachigen Bevölkerung viele. Unter der Oberfläche scheinen sich diese nach traditionellen und teils drakonischen Sitten von Familienclans regierten Ländern gesellschaftlich mehr und mehr zu öffnen.
Die Emirate und Bahrain haben zudem 2020 mit Israel Frieden geschlossen. Aber nicht alle Länder gehen diesen Weg. Kuwait etwa hat in den letzten Jahren mehrfach für Schlagzeilen gesorgt, weil die nationale Fluggesellschaft Kuwait Airways Passagiere mit israelischem Pass nicht befördern wollte. Saudi-Arabien, Heimat der wichtigsten islamischen Heiligtümer, zögert bei einem Friedenschluss.
Kritik wegen Menschenrechten
Diese Länder verfügen dank ihres Reichtums, der auf Ölvorkommen und internationalem Handel basiert, über einen hohen Lebensstandard, von dem auch Millionen von Einwanderern mitprofitieren. Deren arbeitsrechtliche Stellung ist allerdings schlecht und führt immer wieder zu Kritik an der Handhabung der Menschenrechte in diesen Ländern.
Die Fussball-Weltmeisterschaft in Qatar, die im November und Dezember dieses Jahres ausgetragen werden soll, sieht sich Boykottaufrufen ausgesetzt, nachdem beim Bau des Fussballstadions in der Hauptstadt Doha über zahlreiche Arbeitsunfälle mit Todesopfern berichtet worden ist. Saudi-Arabien steht unter anderem in der Kritik, weil es im Nachbarland Jemen Krieg führt und weil Kritiker des Königshauses, darunter Medienleute, verfolgt und mutmasslich auf Befehl der Herrscherschicht getötet werden.
Ukraine-Krieg sorgt für neue Spannungen
Mit dem Ukraine-Krieg ist für die Länder am Persischen Golf noch ein Risiko dazugekommen. Die Emirate etwa vermieden im UNO-Sicherheitsrat eine direkte Verurteilung Russland für den Angriff auf die Ukraine. Dies erweckt den Argwohn westlicher Länder.
Zwar sieht es im Moment nicht danach aus, dass der Westen gegen die Golfstaaten vorgeht, die sich gegenüber Russland ambivalent verhalten - ganz im Gegenteil: Westliche Politiker, darunter Bundesrat Ueli Maurer, der deutsche Wirtschaftminister Robert Habeck und der britische Regierungschef Boris Johnson, haben in Qatar oder Saudi-Arabien um mehr Gas- und Öllieferungen gebeten, nur um aus der russischen Abhängigkeit herauszukommen. Doch in einer Welt, die sich stärker zwischen demokratisch und autorär regierten Ländern aufzuteilen droht, könnte auch der Abstand zwischen dem Westen und den Golfstaaten grösser werden - inklusive mit Problemen für die Finanzmärkte.
Mit Material der Nachrichtenagentur Bloomberg.