Das Verdikt war eindeutig: Mit 61,7 Prozent der Stimmen wurde die Begrenzungsinitiative am Abstimmungssonntag klar verworfen. Die Initiative verlangte, dass der Bundesrat das Abkommen über die Personenfreizügigkeit innerhalb von zwölf Monaten durch Verhandlungen mit der EU ausser Kraft setzt. Die Gegner der Begrenzungsinitiative sehen mit dem klaren Nein den bilateralen Weg sowie die Weiterführung der Personenfreizügigkeit bestätigt.

Doch problemfrei wird da Verhältnis Schweiz-EU dadurch nicht. Nachdem das Resultat bekannt wurde, rückte augenblicklich das nächste, schon viele Jahre alte, Europa-Thema wieder in den Fokus: das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Dieses soll die Schweiz enger an die Gesetzmässigkeiten der EU binden. Bereits vor einigen Wochen brachte Alt-Bundesrat Johann Schneider-Ammann das Rahmenabkommen wieder das Tableau und kritisierte es scharf.

"Das in den bilateralen Verträgen gefundene Gleichgewicht zwischen staatlicher Souveränität und Binnenmarktzugang ist im Entwurf des Rahmenabkommens auf Kosten der Schweiz verloren gegangen", erklärte er in einem Gastbeitrag in der NZZ.

Was soll das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU regeln?

Die Gesetzmässigkeiten in der EU ändern sich laufend. Das Binnenmarktrecht etwa, welches den grenzüberschreitenden Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen regelt, entwickelt sich ständig weiter. Die Schweiz ist an diesen EU-Markt gekoppelt. Doch seit längerem ist es der EU ein Dorn im Auge, dass sich die Schweiz jeder neue EU-Marktregel selbstständig durch ihren eigenen Gesetzgebungsprozess anpassen muss.

Das dauert und führt in den Augen der EU zu Wettbewerbsverzerrungen, weil Schweizer Unternehmen zwar Zugang zu Teilen des EU-Binnenmarkts hätten, aber nicht den gleichen Regeln unterworfen seien. Daher ist im aktuellen Rahmenabkommen-Entwurf vorgesehen, dass die Schweiz neue EU-Gesetze in fünf bestehenden Marktzugangsabkommen praktisch automatisch übernehmen muss (dynamische Rechtsübernahme): Personenfreizügigkeit, technische Handelshemmnisse, landwirtschaftliche Erzeugnisse, Luftverkehr, Landverkehr.

Der zweite Knackpunkt im Rahmenabkommen ist die Streitbeilegung. Laut aktuellem Entwurf kann bei unterschiedlicher Auslegung eines Gesetzes jede Partei den zuständigen Gemischten Ausschuss einberufen. Findet dieser innert drei Monaten keine Einigung kann ein paritätisch besetztes Schiedsgericht verlangt werden. Dieses muss sich allerdings nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) richten.

Gegenwind von rechts wie links

Die aktuelle Diskussion zeigt: Das Rahmenabkommen gerät von vielen Seiten unter Beschuss. Neben der SVP sind sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände gegen das Abkommen in der Form, wie es der Bundesrat mit der EU ausgearbeitet hat.

Ein grosser Streitpunkt im Ringen um den Rahmenvertrag ist die Frage des Lohnschutzes. Gewerkschaften und grosse Teile der SP fürchten Lohndumping durch eine Aufweichung der so genannten Flankierenden Massnahmen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) macht deutlich, dass er einen Abbau des Lohnschutzes nicht akzeptieren werde. "Das Nein zur BGI ist ein Ja zur Personenfreizügigkeit mit einem starken Lohnschutz", so der SGB in einer Mitteilung.

Auch Arbeitgeber und Gewerbeverbände formulieren klare Kritikpunkte am aktuellen Entwurf. Sie fordern vor allem, dass Teile der sogenannten Unionsbürger-Richtlinie für die Schweiz nicht gelten dürften. Diese Richtlinie soll das Anrecht von EU-Ausländern auf Sozialhilfe ausweiten. Die SVP wiederum lehnt das Rahmenabkommen grundsätzlich ab. Für sie gibt die Schweiz damit ihre Souveränität als "Gesetzgeberin im eigenen Land" auf.

Als Knacknuss erweist sich auch das geplante Schiedsgericht. Der Vorwurf der Gegner: Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) würde bei Annahme des vorliegenden Entwurfs zu stark in die Souveränität der Schweiz eingreifen. "Eine effiziente Streitbeilegung ist wünschenswert, aber eine faktische Unterstellung des Schiedsgerichts unter den EuGH geht zu weit", schreibt etwa Schneider-Ammann in seinem Kommentar.

cash.ch fragt in der Umfrage die Leserinnen und Leser, wie sie zum aktuell vorliegenden Rahmenabkommen stehen: