Mit 196 zu 0 Stimmen und ohne Enthaltung hiess der Nationalrat die Vorlage am Dienstag gut. Der Bund soll demnach beispielsweise den Ausbau der Glatttalbahn im Kanton Zürich und die Ostumfahrung von Suhr AG unterstützen. Rund 1200 Massnahmen in 32 Agglomerationsprogrammen in allen Landesteilen sollen zum Zug kommen.
Je ein knappes Drittel der Mittel sollen für den öffentlichen Verkehr, den Autoverkehr sowie Projekte für den Velo- und Fussverkehr verwendet werden. Berücksichtigt werden ausserdem Umsteige-Drehscheiben.
Auf Antrag der Mehrheit seiner Verkehrskommission nahm der Nationalrat den Strassentunnel Moscia-Acapulco im Locarnese in das Programm auf und erhöhte die Kreditsumme um 38 Millionen Franken, gegen den Willen des Bundesrates. Nun ist der Ständerat am Zug.
Sanktion bei Verzögerungen
Der Bund beteiligt sich mit Beiträgen zwischen 30 und 45 Prozent, entsprechend der Wirkung des jeweiligen Programms. Seit 2008 leistet der Bund Beiträge an die Verkehrsinfrastruktur der Agglomerationen.
Den Antrag einer rot-grünen Minderheit, auf den Abzug von fünf Prozent vom Bundesbeitrag zu verzichten in Fällen, in denen Massnahmen aus früheren Programmen ungenügend umgesetzt worden sind, fand keine Mehrheit. Dieser Verzicht hätte den Kredit um 35 Millionen Franken erhöht.
Isabelle Pasquier-Eichenberger (Grüne/GE) sagte, diese Sanktion schwäche die Programme der neusten Generation. Projekte in sechs Regionen seien betroffen. Der Bund könne von Gesetzes wegen bis zur Hälfte der Kosten übernehmen und habe hier eine Verbesserungsmarge, sagte Pasquier-Eichenberger.
Anderer Meinung war die Mehrheit: Barbara Schaffner (GLP/ZH) nannte den Mechanismus "sinnvoll, um einen gewissen Druck für die Realisierung der Projekte zu erzeugen". Kommissionssprecher Kurt Fluri (FDP/SO) sagte, die Kürzungen beträfen von den Regionen selbst verschuldete Verzögerungen von Projekten.
Nichts wissen wollte der Rat auch vom Vorschlag der Bürgerlichen, die Vorlage zusammen mit dem Ausbauschritt 2023 für die Nationalratstrassen in Kraft zu setzen und so praktisch zu verknüpfen. Eine Minderheit um Christian Wasserfallen (FDP/BE) wollte damit verhindern, dass Projekte und Verkehrsträger gegeneinander ausgespielt werden.
"Ein Gesamtsystem"
Man habe mit den zwei Vorlagen ein Gesamtsystem vor sich, begründete Wasserfallen den Antrag. Rosinenpickerei dürfe es nicht geben. Schiene und Strasse ergänzten sich, sagte Marco Romano (Mitte/TI). "Man kann nicht aus ideologischen Gründen alle Nationalstrassen bekämpfen und in den Agglomerationen nur das Beste wollen."
Schaffner nannte den Antrag einen Versuch, das Agglomerationsverkehrsprogramm in Geiselhaft zu nehmen. Gemeinden und Kantone seien die treibenden Kräfte hinter diesen Programmen und diese darum nicht referendumsfähig, ergänzte Marionna Schlatter (Grüne/ZH). "Man kann sich beim Volk nicht Autobahnen für Velowege kaufen."
Referendum im Raum
Ein Referendum gegen den Nationalstrassen-Ausbauschritt steht im Raum. Als der Bundesrat im Februar die Projekte präsentierte, drohten mehrere Verbände mit einem Referendum gegen den Bundesbeschluss über den Nationalstrassen-Ausbauschritt 2023. Nur gegen diesen einen Beschluss ist ein fakultatives Referendum möglich.
Eine Sprecherin der Grünen sagte bei der Beratung im Nationalrat, ihre Partei werde ein allfälliges Referendum unterstützen.
Die Mehrheit der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) hielt dagegen, dass die Agglomerationsverkehrsprogramme stark verzögert werden könnten, wenn gegen den Ausbauschritt der Nationalstrassen das Referendum ergriffen werde.
(AWP)