Der Nationalrat fällte seinen Entscheid am Donnerstag mit 136 zu 53 Stimmen ohne Enthaltung. Das Geschäft geht an zurück an den Ständerat. Heute kann die Schweiz lediglich Sanktionen der Uno, der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen. Gestützt auf das Embargogesetz werden diese durchgesetzt.

Die SVP wollte nicht auf die Vorlage eintreten. Ein entsprechender Antrag wurde jedoch mit 131 zu 51 Stimmen bei 6 Enthaltungen abgelehnt.

Eigenständige Sanktionen könnten sich gemäss dem Beschluss des Nationalrats gegen Personen und Entitäten, etwa Unternehmen, richten. Gründe für eine Verhängung sollen die Verletzung von Menschenrechten oder andere schwere Verstösse gegen internationales Recht sein.

Die Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N) erhofft sich davon eine kohärente und einheitliche Sanktionspolitik unter Wahrung der Neutralität. Einen Antrag, auf die Bestimmung zu verzichten, verwarf der Nationalrat mit 107 zu 82 Stimmen.

Kritik des Wirtschaftsministers

Anlass für die Revision des Embargogesetzes war ursprünglich, dass die Landesregierung ein 2015 infolge der russischen Invasion der Krim erlassenes Verbot von Waffenimporten aus Russland und der Ukraine verlängern wollte. Die Botschaft ans Parlament verabschiedete sie bereits 2019.

Der Entwurf sah lediglich vor, dass der Bundesrat übernommene Sanktionen auf weitere, davon nicht erfasste Staaten ausweiten können solle, wenn das Interesse des Landes dies erfordere. Dieses Vorhaben fand im Nationalrat deutliche Unterstützung - ebenso, dass wie vom Ständerat im Juni 2021 beschlossen eine Ausweitung auch auf Personen und Unternehmen möglich sein soll.

Gegen Letzteres wehrte sich Wirtschaftsminister Guy Parmelin nicht - wohl aber gegen die Ermöglichung eigenständiger Sanktionen. "Dies wäre eine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Politik", sagte er. Es sei zudem unklar, welche Kriterien für die Verhängung von Strafmassnahmen angewandt werden sollten. Nicht zuletzt drohten lange Rechtsstreitigkeiten.

Mit denselben Argumenten lehnte auch die FDP-Fraktion eigenständige Sanktionen ab. In der Gesamtabstimmung trugen die Freisinnigen die Vorlage dennoch mit. Auf diese Weise könne sich der Ständerat nochmals mit der Sache befassen, erläuterte Petra Gössi (FDP/SZ) namens ihrer Fraktion.

Die kleine Kammer hatte bei der ersten Beratung des Geschäfts - knapp acht Monate vor Beginn des Ukraine-Kriegs - eigenständige Sanktionen abgelehnt.

Erneute Grundsatzdebatte zur Neutralität

Zahlreiche Rednerinnen und Redner nutzten die Debatte für grundsätzliche Überlegungen zur Neutralität. Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL) bezeichnete im Namen ihrer Fraktion eigenständige Sanktionen als wichtiges Instrument, das die Handlungsfähigkeit des Bundesrats stärke.

Die Welt habe sich durch den Ukraine-Krieg verändert, hielt sie zuvor fest. Auch als neutrales Land könne die Schweiz nicht abseitsstehen, wenn grundlegende Prinzipien des Völkerrechts verletzt würden.

Roger Köppel (SVP/ZH) kritisierte dagegen, durch den Vorschlag werde die Schweiz in Konflikte zwischen Grossmächten hineingezogen. Das sei gefährlich. Sanktionen seien zudem willkürliche Kriegswaffen. Köppels Genfer Parteikollege Yves Nidegger sagte, es sei nicht die Rolle eines neutralen Landes, das Verhalten anderer Staaten zu beurteilen und zu bestrafen.

Tiana Angelina Moser (GLP/ZH) betonte, eigenständige Sanktionen bedeuteten nicht, dass man alleine handle. Und es sei ein Gewinn an Souveränität, wenn die Schweiz nicht einfach Entscheide anderer übernehmen müsse.

Fabian Molina (SP/ZH) bezeichnete den ursprünglichen Antrag des Bundesrats als "Mini-Reförmchen" und kritisierte, die Schweiz gehe bei der Umsetzung der Sanktionen gegen Moskau zu zögerlich vor. Es sei im Interesse der Schweiz, wenn die Staatengemeinschaft Verstösse gegen das Völkerrecht ahnde - denn dies diene dem Frieden.

Warnung vor Schnellschuss

Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) mahnte zur Besonnenheit. Angesichts der Bestürzung über das Handeln Russlands drohe der Rat unüberlegt zu entscheiden. Vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus allen Fraktionen sei es unwohl mit den Vorschlägen der Kommission. Portmann zeigte sich überzeugt, dass die Neutralität in der Bevölkerung viel Rückhalt habe - in allen politischen Lagern. Zunächst brauche es eine breite öffentliche Debatte.

Portmann wollte den Gesetzestext dahingehend präzisieren, dass eine Ausweitung von Sanktionen nur bei unmittelbarer Gefahr für die Schweiz oder im Falle von Vergehen gegen das Völkerrecht möglich sein solle. Sein Antrag fand jedoch im Rat keine Mehrheit.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag von Roland Fischer (GLP/LU). Grünliberale, Grüne und SP wollten eine Bestimmung streichen, wonach der Bund sicherzustellen hat, dass Schweizer Unternehmen durch die Umsetzung von Sanktionen keine Wettbewerbsnachteile erleiden.

(AWP)