Dieses Fazit zog die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) am Dienstag bei der Präsentation ihres Jahresberichts. Auf finanzieller Ebene seien die Vorsorgeeinrichtungen in den vergangenen zehn Jahren insgesamt robuster geworden. Anpassungen bei den gesetzlichen Vorgaben für den obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge fehlten jedoch weiterhin.
Die Rentenversprechen der zweiten Säule lassen sich längst nicht mehr mit dem Kapital der Rentnerinnen und Rentner erfüllen. Allein von 2014 bis 2021 mussten dafür 45,3 Milliarden Franken von der aktiven Generation umverteilt werden.
Krieg trübt Aussichten
Rein auf das vergangene Jahr bezogen, läuft es den Pensionskassen gut bis sehr gut, wie den neusten Zahlen zu entnehmen ist. Auch wegen stark steigender Aktienkurse verbesserte sich die finanzielle Lage der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen. Diese erzielten im Jahr 2021 eine durchschnittliche Netto-Vermögensrendite von 8,0 Prozent. Im ersten Corona-Jahr waren es 4,4 Prozent gewesen.
Entsprechend erhöhten sich bis Ende Jahr die Deckungsgrade. Bei Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie und ohne Vollversicherungslösung stieg der durchschnittliche Deckungsgrad auf 118,5 Prozent - den höchsten Wert seit Jahren.
Die Inflation, die steigenden Zinsen und der Krieg in der Ukraine schmälerten die Gewinne jedoch bereits wieder. Gemäss Hochrechnungen sank der durchschnittliche Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres auf 112,9 Prozent, also um über fünf Prozentpunkte.
Reformstau auf verschiedenen Ebenen
Ein anderes grosses Risiko sind nach Einschätzung der Oberaufsicht die hohen Umwandlungssätze. In der obligatorischen beruflichen Vorsorge liegt der Mindestumwandlungssatz bei 6,8 Prozent - auf 100'000 Alterskapital gibt es eine Jahresrente von 6800 Franken.
In den vergangenen Jahren sind mehrere Anläufe zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes gescheitert. Eine weitere Reform wird derzeit im Parlament diskutiert. Darin ist eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent vorgesehen. Die Geister scheiden sich derzeit daran, wie diese Einbussen kompensiert werden sollen.
Eine weitere Herausforderung für die Pensionskassen besteht darin, für einen Ausgleich zwischen den in den vergangenen Jahren unterschiedlich behandelten Jahrgängen zu sorgen. Die Solidaritätsmechanismen des Rentensystems seien einseitig strapaziert worden, schreibt die Oberaufsichtskommission.
Tiefere technische Zinssätze
Doch zeigt die Bilanz nach zehn Jahren Strukturreform auch Positives: So ist laut der Oberaufsichtskommission davon auszugehen, dass die Umverteilung künftig weniger stark ausfallen dürfte, da die Vorsorgeeinrichtungen in den vergangenen Jahren die technischen Zinssätze kontinuierlich gesenkt und somit die laufenden Renten nachfinanziert haben.
Für einen grossen Teil der Versicherten hätte eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes wenig spürbare Auswirkungen. Viele Vorsorgeeinrichtungen haben ihre Verantwortung wahrgenommen und die reglementarischen Umwandlungssätze dort gesenkt, wo dies möglich ist.
Hohe Kosten müssten jene tragen, die nahe am BVG-Obligatorium sind. Zum obligatorischen Bereich gehören Löhne bis 84'000 Franken. Das fällt laut Experten auf Arbeitgeber und Aktive zurück - typischerweise auf solche mit tiefen Löhnen, die in Minimalleistungs-Vorsorgeeinrichtungen versichert sind.
Anpassungen in der Aufsicht
Weil immer weniger Pensionskassen immer mehr Geld verwalten, ist laut den Verantwortlichen auch die Aufsicht der Vorsorgeeinrichtungen herausfordernder geworden. Viele Einrichtungen seien von ihrer Grösse und Komplexität her vergleichbar mit grossen Versicherungsgesellschaften, die viel strenger reguliert seien.
Der Handlungsspielraum der Oberaufsichtskommission ist nach eigenen Angaben beschränkt. Sie könne nur bedingt sicherstellen, dass das System der beruflichen Vorsorge als Ganzes sicher und zuverlässig funktioniere. Es sei angezeigt, auch im Aufsichtsbereich die notwendigen Anpassungen in Angriff zu nehmen. Das Parlament hat kürzlich eine Überprüfung des Aufsichtssystems in Auftrag gegeben.
(AWP)