Die Wall Street schätzt die Aussichten für die Märkte bei einem möglichen Wahlsieg des demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu negativ ein, schreibt das Bankenimperium JPMorgan.
Die US-Banken waren zwar erleichtert darüber, dass Joe Biden der mutmassliche Bewerber ist und nicht progressivere Kandidaten wie Elizabeth Warren und Bernie Sanders. Die Wall Street befürchtet aber, dass ein Wahlsieg die Aktien durch politische Massnahmen wie eine Rücknahme der Steuersenkungen aus der Trump-Ära belasten könnte.
Goldman Sachs geht davon aus, dass mögliche Steueränderungen der Demokraten das Ergebnis je Aktie beim S&P 500 von den bisher prognostizierten 170 Dollar im Jahr 2021 auf 150 Dollar drücken könnten.
Biden «marktfreundlicher»
JPMorgan sieht das anders. Zahlreiche Faktoren könnten Biden marktfreundlicher machen als derzeit von Analysten erwartet, schreiben Strategen um Dubravko Lakos-Bujas und Marko Kolanovic in einer Note vom Montag. Dazu gehörten eine historische Tendenz zur Annäherung an die politische Mitte, potenzielle Vorteile aus Infrastrukturausgaben, eine moderatere Zollrhetorik und höhere Löhne.
Sie vermuten auch, dass die Steuerbelastung für die Gewinne der S&P 500-Mitglieder wahrscheinlich geringer ausfallen werde als von vielen erwartet, und dass eine Erhöhung des Mindestlohns für Unternehmen wahrscheinlich per Saldo positiv wäre. "Die Konsenseinschätzung lautet, dass ein Sieg der Demokraten im November für Aktien negativ sein wird", so die Strategen. "Wir sehen ein solches Ergebnis jedoch als neutral bis leicht positiv an."
Wahlen wichtiger als Corona-Infektionen
Eine Umfrage von RBC Capital Markets im letzten Monat zeigte, dass die Anleger wegen der Wahlen im November stärker besorgt sind als wegen einer weiteren Welle von Covid-19-Infektionen.
Andere sind der Ansicht, dass ein Sieg der Demokraten für die Märkte relativ harmlos sein könnte. Experten der Scowcroft Group, die seit Jahrzehnten die Politikgestaltung in Washington verfolgt, sagten im vergangenen Monat, dass Anleger angesichts der Aussicht auf eine Biden-Präsidentschaft nicht nervös sein sollten. Sie verwiesen darauf, dass Biden möglicherweise weniger zerstörerisch in Bezug auf den Handel agieren könnte als Präsident Donald Trump. Jonathan Golub von der Credit Suisse schätzt die Aussicht höherer Steuersätze als "Gegenwind, aber nicht als Hindernis" ein.
JPMorgan untersucht Aktien, die besser oder schlechter abschneiden könnten, falls Biden im November die Wahl gewinnt. Unter den potenziellen Nutzniessern einer Demokraten-Agenda finden sich laut Studie Unternehmen wie Tesla, Johnson & Johnson, Caterpillar und Apple. Underperformer könnten Firmen wie Apache, Northrop Grumman , AT&T und Wynn Resorts sein.
(Bloomberg/cash)