Greta Thunberg und ihre vielen Millionen Klimaschutz-Freunde versetzen die Luftfahrt in Angst und Schrecken. Seit die von der jungen Umweltaktivistin aus Schweden entfachte Massenbewegung sogenannte "Flugscham" schürt, sehen sich die Airlines zu Unrecht als Klimasünder an den Pranger gestellt - und bangen immer mehr um ihre Geschäftsgrundlage.

Fast einen ganzen Tag lang beschäftigte der Klimaschutz in dieser Woche die Europa-Konferenz des internationalen Luftfahrtverbandes IATA in Berlin. Dabei mangelte es nicht an Bekenntnissen zu CO2-neutralem Luftverkehr. Doch die Branche fordert dafür mehr Unterstützung von Regierungen und der EU.

"Nicht das Fliegen ist der Feind, CO2 ist der Feind", betonte etwa IATA-Generaldirektor Alexandre de Juniac. Lufthansa-Chef Carsten Spohr, derzeit Vorsitzender des IATA-Lenkungsgremiums, beklagte, die Branche habe sich in den vergangenen Monaten zu sehr in die Defensive drängen lassen. Seit Jahren sei es nicht gelungen, herüberzubringen, wie sehr sich die Airlines schon um die Reduktion des Klimagases beim Fliegen bemühten.

«Die Guten der Globalisierung»

Schliesslich habe sich der CO2-Ausstoss pro Passagier in den letzten 30 Jahren allein schon durch die Anschaffung verbrauchsärmerer Flugzeuge fast halbiert. Spohr erinnerte daran, wie wichtig der Luftverkehr für die globale Wirtschaft als Transportmittel von Menschen und Gütern sei: "Wir vom Luftverkehr sind die Guten der Globalisierung", schwor er die versammelten Branchenvertreter auf einen Abwehrkampf ein.

Doch die Airlines haben nicht nur ein Imageproblem. "Wir haben schon vor der jetzt heftigen Diskussion hart daran gearbeitet, dass wir eines Tages CO2-neutral sind", erklärte Martin Gauss, Chef der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic. "Der öffentliche Druck, der jetzt entsteht, fordert, wir müssten das morgen machen - und das geht technologisch nicht."

Die Branche hat sich schon vor einigen Jahren vorgenommen, bis 2050 die Emissionen auf die Hälfte des Niveaus von 2005 zu senken. Sie nimmt ausserdem am europäischen CO2-Emissionshandel teil, was ebenfalls den Ausstoss dämpfen soll. Ihr Erfolg - stetiges, durch Preiskampf angeheiztes Wachstum des Flugverkehrs - erschwert das Erreichen der Ziele. Nach Prognose der IATA wird sich der globale Luftverkehr in den nächsten zwei Jahrzehnten verdoppeln.

Und nicht nur öffentliche Proteste setzen die Unternehmen unter Druck. Auch ihre Investoren fragen immer schärfer, was sie zur Klimaneutralität unternehmen, um ein härteres Durchgreifen der Gesetzgeber zu vermeiden. "Die Industrie ist mit vielen Gesprächen darüber mit der Finanzcommunity konfrontiert", erklärte IATA-Chefökonom Brian Pierce.

Zu wenig Nachfrage nach Ökosprit

Doch der Weg zum CO2-neutralen Fliegen ist noch weit. Neben der Erneuerung der Flotte sollen Programme zur CO2-Kompensation einen Beitrag bringen. Dabei bezahlen die Passagiere oder die Airlines selbst Geld, mit dem dann eine CO2-Reduktion durch andere Projekte - wie Aufforstung oder der Austausch von Kohleöfen in Entwicklungsländern - finanziert wird. Um ihre CO2-Emissionen komplett zu kompensieren, müssten die sechs grössten Airlines in Europa nach einer Berechnung von Bernstein Research 15 Prozent ihres Gewinns oder rund eine Milliarde Euro ausgeben.

Eine von ihnen - Easyjet - kündigte jetzt an, umgerechnet rund 30 Millionen Euro zur Kompensation aller Flüge auszugeben. Auch die Lufthansa will den Obulus zum Klimaschutz fördern, indem die Option prominenter beim Buchen vorgeschlagen wird. Denn bisher zahlen weniger als ein Prozent der Kunden den Beitrag. Mit dem von vielen UN-Staaten beschlossenen System "Corsia" soll der Mechanismus ab 2021 global eingeführt werden.

Da elektrisches, emissionsfreies Fliegen von schweren Jets als ganz ferne Zukunftsmusik gilt, wäre der grösste Hebel der Umstieg auf synthetische oder regenerative Kraftstoffe. Damit liessen sich die Emissionen um 80 bis 90 Prozent verringern. Doch bisher wird der Ökotreibstoff kaum produziert, weil er fünf Mal so viel kostet wie Kerosin. Und er wird nicht billiger, so lange die Nachfrage nicht gross genug ist.

(Reuters/cash)