"Wir erfüllen jetzt die Verträge, die wir mit unseren Kunden abgeschlossen haben, doch inwieweit wir das weiterhin tun können, weiss ich nicht", sagte Konzernchef Klaus-Dieter Maubach im Interview mit Bloomberg News in Essen. "Für uns ist es ein historischer Moment: Eine so lange Störung der Gasströme aus Russland haben wir in diesem Ausmass noch nie erlebt."

Der grösste deutsche Abnehmer von russischem Gas erhält seit dem 15. Juni eine niedrigere Menge als mit Gazprom vereinbart. Moskau hat die Lieferungen über die Nord-Stream-Pipeline auf rund 40% gedrosselt. Damit sind die meisten Abnehmer darauf angewiesen, zusätzliche Lieferanten zu finden oder Speicherkapazitäten anzuzapfen. 

Uniper bezieht mehr als die Hälfte des benötigten Erdgases über langfristige Verträge aus Russland. Das Unternehmen ist einer der grössten Erdgasimporteure Europas. Es beliefert zahlreiche Industrieunternehmen und kommunale Versorger.

Die Gaskrise hat Uniper auch finanziell geschwächt. Die 2016 abgespaltene frühere Eon-Sparte, die mehrheitlich der finnischen Fortum Oyj gehört, musste Investitionen abschreiben, wichtige Töchter zum Verkauf stellen und Schulden beim Mutterkonzern und der staatlichen deutschen KfW aufnehmen. S&P Global Ratings stufte Unipers Kreditwürdigkeit im Mai auf BBB- herab, die niedrigste Kategorie, die noch als anlagewürdig ("Investment Grade") für viele institutionelle Investoren gilt. 

"Im Moment gibt es kein Liquiditätsproblem", sagte Maubach. Möglicherweise werde es aber dazu kommen, wenn die gegenwärtige Situation sechs bis acht Monaten anhalte. 

Uniper investiert in Flüssigerdgas-Terminal

Uniper investiert in ein Terminal für den Import von Flüssigerdgas, das laut Maubach im nächsten Frühjahr bereit sein soll. Der von der Bundesregierung angestrebte Schwenk zu neuer Infrastruktur, um im Winter über genug Gas zu haben, könnte sich aus Sicht von Uniper jedoch als problematisch erweisen.

"Ich verstehe, dass man so schnell wie möglich in Betrieb nehmen will", sagte Maubach. "Doch wir müssen auch realistisch sein. Die Menschen können sich nicht darauf verlassen, dass etwas im November oder Dezember zur Verfügung steht, wenn unsere Pläne zeigen, dass dieser Zeitpunkt nicht realistisch ist."

Sollte die Erdgasreserve unter eine bestimmte Schwelle sinken, würde dies für die Thyssenkrupp und viele andere Unternehmen die Abschaltung und Stilllegung ihrer Anlagen bedeuten, wie die Chefin des Konzerns, Martina Merz, im April erklärt hatte. Der Chef der BASF, Martin Brudermüller, warnte, ohne russisches Gas drohe vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen das Aus, Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit könne schnell abnehmen.

(Bloomberg)