Die Schlacht um Bachmut gilt als längste und verlustreichste des russischen Angriffskriegs, der vor 15 Monaten mit dem Einmarsch ins Nachbarland begann. Damals hatte die Stadt noch 70 000 Einwohner, inzwischen liegt sie weitgehend in Trümmern. Die Ukraine gab Bachmut trotzdem nicht verloren, um einen Durchbruch der russischen Truppen weiter ins Landesinnere zu verhindern. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte befohlen, die symbolträchtige Stadt nicht aufzugeben.

Bachmut ist der Hauptteil der nach der russischen Eroberung von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk etablierten Verteidigungslinie zwischen den Städten Siwersk und Bachmut im Donezker Gebiet. Sollte die Stadt tatsächlich an die Besatzer gefallen sein, würde sich für die russischen Truppen der Weg zu den Grossstädten Slowjansk und Kramatorsk eröffnen. Damit würde eine von Russland geplante vollständige Eroberung des Donezker Gebiets näherrücken.

Prigoschin hatte am Samstag in Uniform und mit der russischen Flagge in der Hand die Eroberung von Bachmut verkündet. Zugleich kritisierte er einmal mehr die russische Militärführung: "Wir haben nicht nur mit den Streitkräften der Ukraine gekämpft, sondern auch mit der russischen Bürokratie, die uns Knüppel zwischen die Beine geworfen hat", sagte Prigoschin in einem Video. Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow hätten den "Krieg zu ihrem persönlichen Vergnügen" gemacht. Ihre Launen und die Militärbürokratie hätten dazu geführt, "dass fünf Mal so viele Soldaten gestorben sind wie hätten sterben müssen".

Bei Präsident Putin bedankte er sich hingegen dafür, dass dieser den Wagner-Kämpfern Gelegenheit gegeben habe, für Russland zu kämpfen. Das sei eine "grosse Ehre" gewesen, betonte Prigoschin, der als enger Vertrauter Putins gilt. Die Wagner-Truppe habe der "zerzausten russischen Armee geholfen, wieder zu sich zu finden". Er wolle Bachmut nun den regulären Truppen überlassen. Nach Darstellung Prigoschins kämpften die Wagner-Truppen seit dem 8. Oktober um die Kontrolle über Bachmut - nun stehe eine Erholungsphase an. Wagner sei aber bereit, weiter für Russland zu kämpfen.

Mit Blick auf den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel der führenden demokratischen Wirtschaftsnationen in Japan sagte Prigoschin, Kiews Truppen hätten "tapfer und gut" gekämpft. Selenskyj solle US-Präsident Joe Biden Grüsse ausrichten von der Wagner-Armee, der besten der Welt. In Richtung Moskau adressierte er die Forderung, jene zur Verantwortung zu ziehen, die die Schlacht um Bachmut durch das Zurückhalten von Munition, Material und Kämpfern in die Länge gezogen hätten.

Zur Verstärkung für die Schlacht hatte Prigoschin auch verurteilte Straftäter in russischen Gefängnissen angeworben. Er sagte, dass 23 Mal mehr Personal und 27 Mal mehr Munition nötig gewesen wären, um die Stadt schneller einzunehmen. Prigoschin erinnerte auch an die vielen Gefallenen, ohne Zahlen zu nennen. Wegen der auf beiden Seiten hohen Verluste hatte der Söldnerchef die Schlacht um Bachmut als "Fleischwolf" bezeichnet.

Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar widersprach Prigoschins Worten am Samstagnachmittag mit den Worten, die "schweren Kämpfe" in Bachmut dauerten an. Zugleich räumte sie ein: "Die Lage ist kritisch." Die ukrainischen Streitkräfte verteidigten aber ihre Stellungen und kontrollierten noch einzelne Industrie- und Infrastrukturobjekte. Auf die Sieges-Verkündung der russischen Regierung reagierte sie zunächst nicht.

Maljar hatte zuvor gesagt, das russische Militär habe Tausende Soldaten zur Verstärkung nach Bachmut verlegt und greife weiter "unter hohen Verlusten an, die unsere Verluste unverhältnismässig übersteigen". Auch das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von schweren Verlusten des Gegners. Die Angaben beider Seiten zum Kampfgeschehen liessen sich nicht unabhängig überprüfen./mau/DP/men

(AWP)