Der Winter in Europa droht kalt und dunkel zu werden – sogar wenn das Barometer nicht auf tiefe Werte fällt. Denn: Energie wird kostbar, weil Russland mit Gas geizt. Die EU-Mitgliedsländer wie auch die Schweiz wollen ihren Energiebedarf um 15 Prozent reduzieren.

Und so wird aktuell auf dem ganzen Kontinent nach Wegen gesucht, um den Verbrauch zu senken: Kälter duschen, den Thermostat herunterdrehen oder die Beleuchtung in den Geschäften dimmen; die Massnahmen sind zahlreich und zum Teil kreativ. Hier ein Blick auf die Situation in ausgewählten Ländern:

Deutschland

Das Kabinett von Kanzler Olaf Scholz hat diese Woche eine Reihe von Massnahmen beschlossen, die dazu beitragen sollen, den Gasverbrauch in diesem Herbst und Winter um einen Fünftel zu senken. Die nationalen Massnahmen zielen darauf ab, den Gasverbrauch um etwa 2 Prozent zu reduzieren, sie lauten unter anderen:

  • Die Beheizung privater Schwimmbäder wird verboten
  • Gewisse Bereiche in öffentlichen Gebäuden werden nicht mehr beheizt
  • Senkung der Mindesttemperatur im Büro auf 19 Grad Celsius 
  • Verbot der meisten Aussenbeleuchtungen von Gebäuden und Denkmälern
  • Steigerung der Energieeffizienz in öffentlichen und privaten Gebäuden

Hinzu kommen die Anstrengungen der Gemeinden.

Frankreich

Präsident Emmanuel Macron hat sich zum Ziel gesetzt, den Energieverbrauch bis zum Jahr 2024 um 10 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 zu senken. Der Élysée-Palast hat im vergangenen Monat eine Reihe von Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit Sparmöglichkeiten in Regierungsbetrieben, bei Immobilien, in der Technologie und Telekommunikation sowie in Einkaufszentren und anderen öffentlichen Einrichtungen befassen. Ziel ist es, bis Ende September konkrete Vorschläge vorzulegen. Einige Initiativen sind bereits lanciert:

  • Bis Oktober werden französische Supermarktketten die beleuchteten Ladenschilder nach Ladenschluss abschalten, die Beleuchtung um 30 Prozent reduzieren und die Temperaturen während der Haupteinkaufszeiten auf 17 Grad Celsius senken
  • Im Finanzministerium wird die Heizung erst ab einem Wert unter 19 Grad Celsius eingeschaltet, die Kühlung kommt erst ab einer Temperatur über 26 Grad zum Einsatz

Italien

Bereits nächste Woche könnte an einer Kabinettssitzung ein neuer Plan zur Senkung des Energieverbrauchs verabschiedet werden. Die Energiepreise sind zu einem zentralen Wahlkampfthema im Vorfeld der vorgezogenen Wahlen am 25. September zur Ablösung von Premierminister Mario Draghi geworden. Die Mitte-Links-Partei schlägt Preiskontrollen für Strom vor, was von der rechten Spitzenkandidatin Giorgia Meloni kritisiert wird, die stattdessen eine EU-weite Initiative fordert.

Italienischen Medien zufolge könnte der Sparplan des Landes Folgendes beinhalten:

  • Senkung der Temperaturen und Verkürzung der Heizzeiten in Wohnungen und Büros im Winter, um den Gasverbrauch für die Heizung um mehr als 10 Prozent zu senken
  • Verringerung der nächtlichen Beleuchtung in öffentlichen Einrichtungen und Geschäften
  • Verlängerung der Lebensdauer von Kohlekraftwerken, um den Gasverbrauch bei der Stromerzeugung zu senken
  • Die Stilllegung von Fabriken; mehrere energieintensive Industrien drosseln ihren Betrieb wegen der Kostenspirale bereits

Spanien

Der spanische Gesetzgeber hat am Donnerstag Regeln verabschiedet, die Anfang August per Dekret eingeführt wurden: 

  • Begrenzung der Klimatisierung auf 27 Grad in öffentlichen Gebäuden und den meisten Unternehmen sowie in Flughäfen und Bahnhöfen
  • Einstellung der Heizung auf höchstens 19 Grad im Winter. Ausnahmen sind für Hotelzimmer, Restaurantküchen, Friseursalons, Fitnessstudios, Schulen und Spitäler vorgesehen
  • Verbot der Beleuchtung von Denkmälern und Schaufenstern in der Nacht
  • Vorschrift, dass die Türen von Geschäften geschlossen sein müssen, wenn die Heiz- oder Kühlsysteme eingeschaltet sind

Schweiz

Der Bundesrat will in Übereinstimmung mit dem EU-Ziel den Gasverbrauch von Oktober bis März um 15 Prozent senken. Im Vordergrund stehen Sparappelle.

Sollte der freiwillige Ansatz nicht funktionieren, würden obligatorische Massnahmen folgen. Mehr zu diesem Notfallplan bei der "Handelszeitung":

Finnland

Die Regierung von Ministerpräsidentin Sanna Marin kündigte eine Kampagne an, die Konsumenten und Haushalte sowie Unternehmen und Organisationen dazu auffordert, ihren Verbrauch zu senken. 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sollen sich daran beteiligen.

Die Kampagne wird offiziell im Oktober beginnen und schlägt vor:

  • Senkung der Innentemperaturen
  • Vermehrte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und langsameres Autofahren
  • Kürzeres Duschen
  • Verringerung der Bildschirmzeit – der Zeit, die mit digitalen Geräten verbracht wird

Schweden

Die Regierung von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson will rund 5,8 Milliarden Dollar dazu verwenden, Haushalte und Unternehmen für ihre Sparanstrengungen zu entschädigen. Die schwedische Energieagentur hat verschiedene Tipps zur Senkung des Energieverbrauchs in Privathaushalten vorgelegt, darunter:

  • Dämmung von Dachböden und Fassaden
  • Umstellung auf effizientere Wasserhähne
  • Abdichten, Renovation oder Ersetzen von Fenstern und Aussentüren
  • Ergänzung der Heizungsanlage durch Wärmepumpen

Dänemark

Die Regierung von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat sich keine konkreten Ziele gesetzt, die über das EU-Ziel einer 15-prozentigen Verringerung des Gasverbrauchs hinausgehen – das sie bereits erreicht hat. Die Behörden haben allerdings eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die die Däninnen und Dänen befolgen sollten:

  • Abschaltung der Heizungsanlagen im Sommer
  • Reduktion der täglichen Warmwasserdusche von 15 auf 5 Minuten
  • Lufttrocken anstelle des Gebrauchs eines Wäschetrockners
  • Haushaltsgeräte – wie Geschirrspüler – nachts laufen lassen

Niederlande

Die niederländische Regierung ergreift keine speziellen Massnahmen für diesen Winter. Aber eine Kampagne namens "Save Energy Now!" ermutigt die Menschen, ihre Konsumation durch den Einsatz von Wärmepumpen, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, solarer Warmwasserbereitung und besserer Isolierung von Dächern, Böden und Fenstern zu senken.

Österreich

Die nationale Regierung hat noch keine verbindlichen Massnahmen verhängt, da das Land dabei ist, eines der grössten Gasspeichernetze des Kontinents zu 80 Prozent zu füllen. Die Stadt Wien will durch einen späteren Beginn der Winterbeleuchtung für Weihnachtsmärkte Energie sparen. Skiregionen wiederum erwägen, ihr Angebot zu reduzieren, indem sie weniger Kunstschnee sprengen und den Nachtbetrieb einschränken.

Griechenland

Die Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis kündigte im Juni Massnahmen an, um den Energieverbrauch des öffentlichen Sektors in naher Zukunft um 10 Prozent und bis zum Ende des Jahrzehnts um 30 Prozent zu senken.

Die Behörden werden Organisationen, die Energie sparen, finanzielle Anreize bieten und ausserdem ein digitales System zur Überwachung des Verbrauchs schaffen. Die Massnahmen umfassen:

  • Temperaturkontrolle in Gebäuden
  • Ausschalten von Licht und Computern
  • Änderungen an der Strassenbeleuchtung

(bloomberg/mbü)

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Wie Europa in der Gaskrise Energie sparen will"